Die Linke und die Journalist*innen: Privat oder nicht privat?

In Berlin stritten Linke und „Spiegel“ vor Gericht darüber, ob die Partei den Journalisten Matthias Meisner zur Persona non grata erklärt hat.

Ein Mann schreitet durch die leere Halle vor dem Bundesparteitag der Linken 2018

Lieber ohne kritische Journalisten? Foto: Britta Pedersen/dpa

„Pressefreiheit: Linker Umgang mit Journalisten“ – diese doppeldeutige Überschrift hat der Spiegel über seine 41 Zeilen gesetzt, die seit ein paar Monaten nun schon in den Pressearchiven gesperrt sind und wohl auch weiter bleiben werden. Das Magazin hatte darüber berichtet, dass die Parteichefs der Linkspartei die eigene Bundestagsfraktion aufgefordert hatten, fairer mit kritischen JouranlistInnen umzugehen: „Aus historischen Gründen und auch bezüglich aktueller Anlässe.“

Diese Meldung beschäftigt inzwischen die Justiz, denn der Spiegel erzählte darin auch, was Matthias Meisner erlebt hat, der wiederum seit Ende der Neunziger Jahre für den Tagesspiegel über die Partei berichtet: „Er wurde aus allen Presseverteilern gelöscht und zu Hintergrundgesprächen der Fraktion nicht mehr eingeladen.“ Das Magazin platzierte so den Vorwurf, die Fraktion wollte einen unliebsamen Journalisten gewissermaßen verdursten lassen, nach dem Motto: wo kein Informationsfluss und exklusiver Zugang, da auf Dauer keine fundierte Berichterstattung.

Die Fraktion erwirkte daraufhin eine Gegendarstellung. Meisner sei „nur aus einem Presseverteiler gelöscht worden und zu einem der Hintergrundgespräche der Fraktion weiter eingeladen worden“, war daraufhin im Spiegel zu lesen. Vor dem Berliner Landgericht forderte die Fraktion wiederum, dass das Magazin es auch unterlassen sollte, seine ursprüngliche Darstellung weiter zu verbreiten. Der Spiegel hatte die Gegendarstellung etwa auch um die Bemerkung der Redaktion ergänzt, dass ein Reporter von Spiegel Online „im genannten Zeitraum allein innerhalb von fünf Tagen 27 E-Mails aus dem Presseverteiler erhalten“ habe, während der Kollege des Tagesspiegels leer ausgegangen sei.

Die Linksfraktion beauftragte für diesen presserechtlichen Streit Johannes „Jony“ Eisenberg, der sonst auch die taz vertritt. Fast schon beiläufig ließ er vor der Pressekammer das Verständnis der Linksfraktion für Frühstücksrunden durchblicken, bei denen PolitikerInnen vertraulich JournalistInnen die Lage erklären: Diese Treffen hätten eher privaten Charakter. „Da muss man ja niemanden einladen, der sich schlecht benimmt“, sagte Eisenberg. „Das hat ja nichts mit Pressefreiheit zu tun.“

Tatsächlich ist Matthias Meisner niemand, der die Linken-Fraktionsspitze hochjubelt. Im Gegenteil

Tatsächlich ist Meisner niemand, der die Fraktionsspitze hochjubelt. Im Gegenteil: Er hatte vor der Eskalation seines Verhältnisses mit der Fraktion unter anderem kritisch begleitet, dass die Vorsitzende Sahra Wagenknecht „dem russischen Propagandamedium“ Sputnik ein langes Interview gegeben und darin „Signale nach Moskau“ gesendet hätte. Später habe er dann zwei Wochen lang Infos der Pressestelle und die üblichen Einladungen zu informellen Runden vermisst.

Sie haben eine E-Mail erhalten. Vielleicht

Vor dem Berliner Landgericht präsentierte Eisenberg nun aber einen Screenshot: Ein Mitarbeiter der Linksfraktion habe zwei E-Mails entdeckt. „Das Outlook-System glaubt, dass diese E-Mails verschickt wurden.“ Ob sie angekommen seien, könne der Absender aber ja nicht bestätigen. Meisner aber beteuert, sein Postfach sei leer geblieben. Es habe ja sogar die IT des Tagesspiegels nach Mails der Linksfraktion gefahndet, aber nichts gefunden, wie der vom Spiegel bestellte Anwalt beteuerte.

Die Linksfraktion greift den Spiegel via Eisenberg auch in anderer Sache an: Nachdem sich Meisner über die ausbleibenden Depeschen beschwert habe, habe man den Verteiler gecheckt und ihn fortan wieder versorgt. Was da schiefgelaufen sei, könne man ad-hoc nicht genau erklären, so Eisenberg. Allein: „Es bedurfte nur einer Beschwerde, um die regelmäßige Beschallung wieder zu erreichen.“ Auch an Hintergründen zumindest des parlamentarischen Geschäftsführers, der ja nicht unwichtig sei, habe der Journalist wieder teilnehmen können.

Der Spiegel habe in seiner Meldung „vorsätzlich unvollständig“ berichtet, meinte Eisenberg, woraufhin der Spiegel-Verteidiger erklärte, die Frage, ob Meisner zum Zeitpunkt der Meldung noch aus Verteilern gestrichen gewesen oder doch wieder angeschlossen sei, habe für die Meldung doch „keine Rolle“ gespielt. Es sei schlicht darum gegangen, darüber zu berichten, dass es Diskussionen in der Partei über den Umgang mit Kritikern gegeben habe – „und das dauert ja ein paar Wochen, bis das bei der Parteiführung ankommt“.

„Der Spiegel“ scheitert vor Gericht

Vor dem Berliner Landgericht hat sich letztlich die Sicht der Linksfraktion durchgesetzt: Der Spiegel ist mit dem Versuch, über einen Widerspruch das Unterlassungsbegehren abzuwehren, vorerst gescheitert. Ob der Spiegel in Berufung geht, ist laut Anwalt offen.

Warum wiederum die Linksfraktion an dieser Auseinandersetzung festhält und das Thema so weiter hochhält, hat sie der taz auf Anfrage nicht beantwortet. Auch nicht, wie sie den Tagesspiegel-Reporter inzwischen versorgt. Matthias Meisner sagt: Er bekomme noch immer keine Einladungen zu den Hintergrund-Runden mit der Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht. Auch schriftlich beantworte sie ihm derzeit keine Fragen. Immerhin: Ein Interview mit dem Vorsitzenden Dietmar Bartsch konnte er zuletzt wieder führen.

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