heute in bremen
: „Einfach mal alles raushauen“

Fotos: privat:

Paula Irmschler,28, Titanic-Autorin, undBenjamin Weissinger, 36, prinzessinnenreporter.de, haben sich auf Facebook kennengelernt.

Interview Benjamin Moldenhauer

taz: Frau Irmschler, Herr Weissinger, Sie veröffentlichen Texte unter anderem bei „Titanic“ und Prinzessinnenreporter. Vor allem aber schreiben Sie nahezu ununterbrochen bei Facebook. Warum dort?

Paula Irmschler: Ich poste auf Facebook, weil Benni dort postet und alle anderen hängengebliebenen Erwachsenen auch. Das ist eine schöne Spielwiese. Man kann einfach alles machen, ohne Deadline oder Redakteur, ohne Angst vorm Scheitern. Ich hab dadurch eigentlich erst das Schreiben gelernt.

Benjamin Weissinger: Ich hab immer dieses Statusfenster gesehen und dachte irgendwann, niemand erwartet etwas, es geht hier um nichts, also einfach mal alles raushauen. Also wirklich alles. Und dann fanden sich erstaunlich schnell Gleichgesinnte, und Paula und ich haben uns gegenseitig angefeuert und hochgeschaukelt. Am Ende ist Facebook so eine Art soziales Netzwerk für uns geworden. Hochkomisch alles.

Es ist nicht alles Jux und Dollerei – Paula Irmschlers Account wird immer wieder gesperrt. Was waren die Anlässe?

Paula Irmschler: Wegen „lustiger“ antideutscher Memes, die ich vor Jahren mal gemacht habe. Später dann wegen der Verletzung der Privatsphäre von Typen, deren Nachrichten ich veröffentlicht habe, nachdem sie mir Vergewaltigungen gewünscht oder mich bedroht haben, was ich aber legitim finde – also das mit der Privatsphäre. Zuletzt wurde ich wegen Frauenhass gesperrt, weil die Filter natürlich keine uneigentliche Sprache checken.

Lesung von Paula Irmschler und Benjamin Weissinger, 20 Uhr, Galerie K’, Alexanderstr. 9b

Wohin, wenn Facebook stirbt?

Paula Irmschler: Zurück zu AOL, ICQ, Studi, auf keinen Fall zu Twitter. Aber wir planen eigentlich, subversive selbstgebastelte Magazine zu veröffentlichen. Vermutlich wird das nix, wie die meisten unserer Pläne, also werden wir für immer bei Facebook hängen, warum denn auch nicht?

Benjamin Weissinger: Ja, wenn es sein muss, posten Paula und ich, bis wir uns nur noch gegenseitig lesen und abliken. Dann haben wir unsere Mission erfüllt und können irgendwo anders hin.