Kolumne Im Augenblick: Hauptsache ein Zimmer, egal wie

In vielen deutschen Städten mangelt es an Wohnungen. Bei der Wohnungssuche als Geflüchteter dann auch noch diskriminiert zu werden, ist hart.

Eine Hand markiert mit Textmarker Wohnungsangebote einer Zeitung

Manch einem hilft bei der Wohnungssuche das Engagement in LGBT-Gruppen Foto: dpa

„Er hat mich überzeugt, dass ich im Winter keine Heizung brauche“, sagt der Freund, bei dem ich zurzeit in Hannover übernachte über seinen Vermieter. Er war zuerst in einem Dorf nahe Bremen untergebracht, einem Dorf mitten im Wald, wo er selten Menschen auf den Straßen traf. Zum Einkaufen musste er, wie viele seiner Freunde im Flüchtlingshaus, über eine halbe Stunde mit dem Fahrrad fahren.

Monatelang hatte er in Hannover nach einem WG-Zimmer oder einer Wohnung gesucht, aber ohne großen Erfolg. Mal, weil er Leistungen vom Jobcenter bezieht, mal weil sein Deutsch nicht gut genug war, mal ganz ohne Grund: Absagen hat er viele bekommen.

Ob er sich wirklich sicher ist, in Deutschland ein Zimmer ohne Heizung zu mieten, darüber wollte er lieber nicht so viel nachdenken. Das Zimmer hat Fenster mit Mehrfachverglasung und die Wände isolieren besonders gut. Das wird schon warm genug sein, sagt er. „Wichtig ist, dass ich jetzt in einer großen Stadt bin und mir keine großen Sorgen mache, in die Bibliothek zu gehen, oder in ein Café, um Menschen zu sehen. Dass meine Mitbewohner in meiner jetzigen Wohnung unangenehm sind, oder mein Zimmer klein, kalt und zum Wohnen nicht ganz geeignet ist, ist kein Problem, wenn ich immer draußen bleibe und das Zimmer nur zum Schlafen benutze.“

Also, Hauptsache ein Zimmer, egal wie. Ein anderer Bekannter ist mit dem Problem, der Suche nach einem Zimmer, schlauer und vor allem mutiger umgegangen. Als wir uns neulich getroffen haben, merkte ich Spuren von Schminke in seinem Gesicht und wollte wissen weswegen.

In vielen Städten mangelt es an Wohnungen. Dazu noch bei der Suche diskriminiert zu werden, ist hart

Und dann hat er es mir erzählt. Er hat kapiert, dass Homosexuelle aus dem Nahen Osten besser unterstützt werden. Seine Überlegung war Folgende: Sie sind dort am häufigsten und schlimmsten diskriminiert worden und brauchen umso mehr Beistand. Daran orientiert, hat er sich in LGBT-Gruppen engagiert, bis er durch diese Kontakte eine Wohnung nach seinen Wünschen gefunden hatte.

In der LGBT-Gruppe macht er immer noch mit. Ob er sich dadurch noch mehr Unterstützung hofft, oder sich wirklich dafür interessiert, weiß man nicht. Eins ist für mich klar: Seine Verzweiflung, ein Zimmer zu finden, war extrem. Denn so einen krassen Weg zu gehen, nur um eine Wohnung zu finden, ist keine einfache Entscheidung, die ein Syrer trifft. Schließlich geht er das Risiko ein, dass manche seiner Freunde aus Syrien, wenn sie diese Geschichte mitbekommen, nicht mehr mit ihm reden oder ihn vielleicht auch erniedrigen würden.

Klar: In vielen deutschen Städten mangelt es an Wohnungen. Aber dazu noch bei der Suche diskriminiert zu werden, ist hart. Das im vergangenen Jahr veröffentlichte „Hanna und Ismail“-Projekt von BR Data und Spiegel online hatte zum Ergebnis, dass Menschen mit türkischen oder arabischen Namen bis zu 27 Prozent weniger Einladungen zu Wohnungsbesichtigungen erhalten als jene, die sich mit deutschen Namen bewerben. Dabei konnte die Testperson perfekt Deutsch sprechen und hatte auch eine Arbeitsstelle – anders als der deutsche Testbewerber.

Trotz Hundephobie einen Hund zu streicheln, Alkohol zu trinken, um nicht als Islamist zu gelten, sich für fremde Hobbys interessieren, nur um ein verdammt kleines Zimmer vermietet zu bekommen, all das machen Geflüchtete, um sich zu integrieren und weil sie Angst haben, „fremd“ zu bleiben. Ob von der anderen Seite auch Schritte in die Richtung unternommen werden, lässt sich schwer nachvollziehen.

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Ismail Ismail pendelt zwischen Lüneburg, Oldenburg und Hannover, wo er sich auf sein Studium vorbereitet. Was ihm unterwegs widerfährt und wem er begegnet, schreibt er hier auf.

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