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: Anschub für den High Text

Lettre International ist ein einzigartiges Phänomen auf dem schwindsüchtigen Markt der internationalen Kulturzeitschriften. Gegen den Lesetrend zum Kurzatmigen und Virtuellen setzt sie konstant auf intellektuelle Überwältigung in sperrigem Tabloid-Format. Jedes Heft wird von namhaften Künstlern gestaltet und präsentiert in Übersetzung meist deutsche Erstveröffentlichungen von ebenso bekannten Autor*innen.

Dass dieses Literaturprojekt nun seinen dreißigsten Geburtstag feiern kann, ganz ohne Defizite und Subventionen, ist auch der taz zu verdanken. Verleger und Chefredakteur Frank Berberich ist Gründungsmitglied der taz, verließ die Redaktion jedoch 1980 entnervt, die Zeitung war ihm zu Bewegungslobby-hörig und antiintellektualistisch. Ausgerechnet die notorisch klamme taz steuerte acht Jahre später 100.000 DM als Anschubfinanzierung und Verlags-Knowhow für die Lettre-Gründung bei. Die französische Ausgabe war 1984 von Antonin J. Liehm in Paris gegründet worden.

So purzelten den taz-Abonnent*innen am 28. Mai 1988 nicht die üblichen Horrornachrichten im kompakten Zeitungsformat aus dem Briefkasten. Sondern „100 Seiten High Text“ im taz-Mantel – die erste Lettre International in deutscher Sprache, gestaltet von Jörg Immendorff und bestückt mit Texten von Philip Roth, Michel Foucault, Octavio Paz und Elfriede Jelinek.

Die Jubiläumslettre Nr. 121 erscheint am 7. Juni. Nicht gratis im taz-Umhang, aber in jedem gutsortierten Buchladen und Kiosk. Herzlichen Glückwunsch, auf die nächsten 30 Jahre! Eva Berger