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Bitte nicht nur von der Stange

Guter Spargel hat mehr verdient, als nur mit Schnitzel und Sauce hollandaise aus der Tüte serviert zu werden. Ein paar Vorschläge

Braten, grillen oder marinieren? Kein Rezept, das sich mit Spargel nicht noch verfeinern oder aufpeppen ließe Foto: Westend61/imago

Von Michael Pöppl

Der Spargelhype, der pünktlich Ende April beginnt, kann wirklich nerven. Freunde, die sonst kaum aufs Geld achten, erzählen mit leuchtenden Augen, dass sie auf dem Wochenmarkt endlich die ersten Stangen des edlen Gewächses „für unter zehn Euro“ entdeckt haben. Kollegen, die sich sonst zu Recht vom Herd fern halten, diskutieren fachkundig über Sauce-hollandaise-Rezepte (jene oft verhunzte Sauce wäre alleine eine eigene Geschichte wert). Und typische Altberliner Lokale, bei denen Gemüse sonst höchstens unter „Beilagen“ erwähnt wird, werben mit „Spargel in vielen Variationen“. Wobei das eigentlich nur bedeutet, dass man sich zum Stangengemüse zwischen gekochtem oder rohen Schinken, Puten-, Schweine- oder Kalbsschnitzel entscheiden darf. Immerhin: Wenn man Glück hat, darf man dabei wählen, ob man statt der Fertighollandaise wenigstens nur zerlassene Butter über den Spargel gegossen bekommt.

Um nicht missverstanden zu werden: Spargel ist ein tolles Gemüse, hat aber mehr Respekt und Kreativität verdient, als ihm das die meisten Küchenchefs und Hobbyköche angedeihen lassen. Die Liebe zum Spargel ist in Deutschland ungebrochen, rund 1,8 Kilo des Stangengemüses isst der Durchschnittsbürger im Jahr, zieht man noch die Spargelhasser ab, liegt man beim Verbrauch sicher erheblich höher. Natürlich hat die Euphorie für den Spargel viel mit der Sehnsucht nach dem Frühling zu tun. Ähnlich muss es unseren steinzeitlichen Vorfahren nach kargen Monaten mit Trockenbeeren und Nüssen gegangen sein, wenn im Frühjahr die ersten essbaren grünen Triebe wieder durch den Boden sprossen. Nach den kohllastigen Wintermonaten ist der Spargel nun einmal das Erste, was frisch von hiesigen Äckern kommt.

Man kann ihn roh essen, ohne den typischen Spargelgeschmack

Über was noch selten gesprochen wird: Die Spargelsehnsucht passt perfekt in eine Zeit, in der immer mehr Menschen über Nachhaltigkeit bei der Ernährung nachdenken. Es muss dabei nicht unbedingt nur der Biospargel sein. Denn der deutsche „Asparagus officinalis“ (so die botanische Bezeichnung) ist, wenn er denn wenigstens fair geerntet wurde, ein Vorbild für potentielle Nachhaltigkeit. Beim Spargelkonsum spielen Regionalität und Saisonalität nämlich eine enorme Rolle, sogar bei Menschen, die sich eher selten mit der Herkunft ihrer Lebensmittel auseinandersetzen. Hauptsächlich gegessen wird das Gemüse zwischen Mitte April und Ende Juni. Am 24. Juni, dem Johannistag wird die Ernte eingestellt, damit die mehrjährigen Stauden sich erholen können. Weil es frisch geerntet am besten schmeckt, kaufen die meisten Spargelfans ihr Lieblingsgemüse aus der nächsten Umgebung: Die Bayern lieben den Spargel aus Schrobenhausen, die Schwaben den aus Schwetzingen, die Niedersachsen den aus Nienburg und die Berliner und Brandenburger natürlich den aus Beelitz. Gemeinsam ist all diesen Agrargebieten, dass sie über außergewöhnlich sandige, lössarme und mineralhaltige Böden verfügen, die für den Spargelanbau ideal sind.

Rund 80 Prozent des in Deutschland verkauften Spargels kommt tatsächlich aus regionalem Anbau. Das ist bei Tomaten oder Möhren, den meistgegessenen Gemüsesorten, längst noch nicht selbstverständlich. In globalisierten Zeiten gibt es natürlich auch Spargelimporte, die stammen meist aus Spanien oder Griechenland. Vor allem der grüne Spargel, der schon ab März in den Läden liegt, kommt aus Südeuropa. Und sogar im Winter findet man Spargel im Supermarktregal, oft aus Ländern wie China oder Peru importiert, in denen, übrigens ähnlich wie beim hippen Superfood Avocado, großflächige Agrarfabriken sämtliche Boden und Wasserressourcen sowie billige Arbeitskräfte ausbeuten, um dann per Flugtransport ganzjährige europäische Nachfrage zu stillen. Echte Kenner wissen: Solcher Spargel ist nicht nur aus ökologischen und klimatischen Gründen tabu, sondern er schmeckt auch nicht wirklich.

Grundlage für alle drei Rezepte: Die Spargelstangen schälen, in siedendem Salzwasser blanchieren, grünen Spargel 3-4 Minuten, weißen 5-6 Minuten. (Tipp: wenn man die Spargelstange in der Mitte mit der Gabel anhebt und die Enden sich etwas biegen, sind sie fertig). Danach kurz ins Eiswasserbad zum Abschrecken. Auf einem Küchentuch trocknen lassen. Pro Rezept zwei bis drei Stangen Spargel für jede Portion.

Lauwarmer Amalfi-Salat mit Brotbröseln

Zwei bis drei dünne Scheiben einer Amalfizitrone in Olivenöl kurz anrösten, mit drei EL Zitronensaft und etwas Weißwein ablöschen, eine kräftige Prise Adaman- oder Zitronenpfeffer, etwas Salz. Zwei Handvoll Brösel, am besten aus altem Brot ohne Rinde geschnitten, in etwas Butter anbraten. Die Brösel herausnehmen, Pfanne mit Küchenkrepp auswischen, etwas Butter nachgeben, den blanchierten Spargel kurz (1–2 Min.) in der heißen Butter anbraten, mit der Marinade ablöschen, Brösel darüber streuen. Fertig.

Gegrillter Spargel

Salatsauce aus 1 EL Balsamico, ½ feingehackte Knoblauchzehe, 1 EL Dijonsenf, Salz, etwas Pfeffer, gut durchrühren. Blanchierten grünen Spargel in italienische Panchetta oder spanischen Serranoschinken einwickeln (diagonal auflegen, von unten nach oben rollen, geht am einfachsten). Die Spargelpäckchen auf den heißen Grill legen (nicht zu heiß, siehe oben), dabei immer wieder wenden, bis der Schinkenmantel knusprig ist. Nach 3-4 Min. Spargelpäckchen auf einem Salatbett anrichten, Salatsauce fein darüber verteilen, eine Handvoll Gorgonzolabrösel darüber geben. Servieren.

Garnelen mit Spargel

Auf einer Servierplatte ein Bett aus dünn geschnitten Möhren und Staudensellerie auslegen, dieses salzen und pfeffern (man kann die Gemüsebasis auch kurz in Olivenöl anrösten, das ist eine Geschmacksfrage). Die Biogarnelen mit etwas Knoblauch in Olivenöl anbraten, ebenfalls salzen und pfeffern, eine Prise Chili zugeben, dann mit 2 EL Zitronensaft ablöschen. Den in ca. 5 Zentimeter lange Stücke geschnittenen Spargel (hier kann man gut grünen und weißen zusammen verarbeiten) kurz mit in die Pfanne geben, dann alles schön auf dem Gemüsebett verteilen. Und fertig.

Wie so oft hat die Liebe also auch ihre Grenzen. Irgendwann nach dem Hype sind die Spargelpreise im Keller, spätestens im Juni haben wir den Spargel dann auch über. Das liegt aber vor allem daran, dass wir ihn am liebsten so verzehren, wie ihn schon Generationen zubereitet haben – weichgekocht, mit Schinken serviert und mit Butter oder Hollandaise übergossen. Dabei ist der Spargel ein kulinarischer Tausendsassa, man kann ihn auch braten, grillen, marinieren, kein Rezept, das man mit Spargel nicht noch verfeinern oder aufpeppen kann, und bietet viele Möglichkeiten seine Gäste positiv zu überraschen (siehe unten).

Man kann ihn sogar roh essen, muss dann aber auf den typischen Spargelgeschmack verzichten, die Asparaginsäure, die den Spargel leicht bitter-nussig macht, entwickelt sich erst beim Erhitzen. Für einen Rohkostsalat, den man dann mit einer raffinierten Marinade übergießen kann, empfiehlt es sich, eher grünen Spargel zu verwenden. Den muss man oft noch nicht einmal schälen, gründlich waschen und die harten Enden abschneiden genügt. Und noch ein wichtiger Hinweis, aus leidvoller eigener Erfahrung: Bei Spargel auf den Grill, ist vor allem eines zu beachten – das Brenngut sollte gut durchgeglüht sein, der Rost nicht zu nahe darüber liegen, denn wenn der schöne Spargel tatsächlich verbrennt, kann man ihn wegwerfen. Gesünder ist da allemal ein Elektrogrill, der kann lässt sich noch dazu auch auf dem Balkon verwenden.