Der schöne Krieg

FREUNDKONTAKT Beim Spiel „Medal of Honor“ arbeiten die Entwickler eng mit Militär und Konzernen zusammen

Eine Waffenfirma bringt zum Spielstart extra eine Axt auf den Markt

VON MICHAEL SCHULZE VON GLASSER

„In ‚Medal of Honor Warfighter‘ schlüpfen Spieler in die Kampfstiefel der am besten ausgebildeten und fähigsten Soldaten, die es heute gibt, und erleben Missionen, die einen direkten Bezug zu Terrorakten in der realen Welt haben“, heißt es auf der Website des hierzulande am 25. Oktober erscheinenden neuesten Teils der „Medal of Honor“-Videospiel-Reihe. Die Geschichte des Spiels vom US-Publisher „Electronic Arts“ (EA) wurde von US-Elitesoldaten geschrieben.

„Medal of Honor“ gehört zu den weltweit erfolgreichsten Spiele-Reihen. Matt Bissonnett, ein ehemaliger US-Navy Seal, der auch beim Militäreinsatz gegen Osama bin Laden dabei gewesen sein soll, hat bei der Entwicklung mitgeholfen. Passend dazu soll auch die Jagd auf den vom US-Soldaten getöteten Al-Kaida-Führer Osama bin Laden nachgespielt werden können. „Darüber hinaus waren über 20 Mitglieder von 12 verschiedenen sogenannten Tier-1-Einheiten aus 10 Ländern beratend tätig“, erklärt Martin Lorber, PR-Director von EA-Deutschland auf Anfrage. Als „Tier-1-Einheiten“ werden die meist militärischen Spezialeinheiten verschiedener Nationen bezeichnet. Unter anderem sollen Soldaten von der kanadischen Spezialeinheit „Joint Task Force 2“ und dem polnischen „GROM“ bei der Entwicklung von „Medal of Honor Warfighter“ mitgeholfen haben – deutsche Soldaten waren entgegen früherer Aussagen der Entwickler nicht beteiligt. Warum dieser enge Kontakt? „Die Beratung soll sicherstellen, dass die Geschichte des Spiels, aber auch die dargestellten militärischen Taktiken möglichst authentisch sind“, sagt Martin Lorber. Für den neuen „Medal of Honor“-Teil arbeiten die Entwickler außerdem mit Waffenherstellern und Militärausrüstern zusammen und präsentieren die Partner auf ihrer Website – wer das Videospiel vorbestellt, bekommt für seine virtuellen Waffen als Bonus drei Zielvisiere, die in der realen Welt vom US-Militärausrüster „Trijicon – Brilliant aiming solutions“ hergestellt werden. Der Hieb- und Stichwaffen-Hersteller „SOG“ hat für das Spiel extra eine Streitaxt entwickelt und verkauft diese ab Veröffentlichung.

Stephan Möhrle vom Freiburger „Rüstungs-Informations-Büro“ sieht für die Militärindustrie vor allem einen Imagegewinn: „Die Industrie hat ein Interesse daran, ihren Namen zu präsentieren.“ Am Bekanntheitsgrad könne man auch den Wert eines Unternehmens messen. Den Spielern von „Medal of Honor Warfighter“ würden die gezeigten Waffen „in einem positiven Licht dargestellt, weil damit im Spiel vermeintlich Gutes getan wird. Das kommt der Rüstungsindustrie natürlich zugute.“

Ähnlich sieht das US-Autor Roger Stahl: „Die Militärausrüster versuchen Interesse für ihre Produkte zu generieren, um den eigenen Absatz zu steigern und durch höhere Popularität auch neue Regierungsaufträge zu bekommen“, meint Stahl. Der Dozent für Sprachkommunikation an der University of Georgia hat die Zusammenarbeit von Militär und Medien in seinem 2010 erschienenen Buch „Militainment, Inc.: War, Media, and Popular Culture“ durchleuchtet.

Auf der „Medal of Honor“-Website wird mit der „authentischen Action“, die das Spiel biete, geworben. Für Roger Stahl nur die halbe Wahrheit: „Auf der einen Seite sind Videospiele heute tatsächlich nahezu realistisch, wenn es etwa um Grafik oder Sound-Effekte geht. Auf der anderen Seite ist aber eine enorme Diskrepanz zwischen der virtuellen Darstellung von Krieg und der Realität.“ So würden die negativen Seiten militärischer Einsätze – zum Beispiel überquellende Krankenhäuser, Flüchtlinge, zerbrochene Familien – fast nie in Videospielen thematisiert.

Damit tragen militärische Spiele für Stahl „zu einer Derealisierung von Krieg“, einem geschönten Bild, bei. „Wir bekommen einen Krieg ohne Opfer zu sehen.“ Die Realität sehe grausam aus und sei für Menschen, die selbst keinen Krieg erlebt hätten, kaum mehr zu fassen, sagt Stahl. Tod und Zerstörung würden zwar dargestellt, aber menschliches Leid davon entkoppelt und oft nicht gezeigt. Damit fühle der Spieler eine große Nähe zum kriegerischen Geschehen, gleichzeitig sei ihm dessen Wesen aber sehr fern.