Schläge mit dem Gürtel

Am Dienstagabend sind zwei Männer in Berlin antisemitisch attackiert und auf Arabischbeleidigt worden. Die Zahl solcher Fälle steigt an

Von Malene Gürgen, Berlin

Nach einem antisemitischen Angriff in Berlin-Prenzlauer Berg am Dienstagabend hat der polizeiliche Staatsschutz die Ermittlungen übernommen. Wie die Berliner Polizei am Mittwoch mitteilte, waren zwei Kippa tragende Männer von einer dreiköpfigen Gruppe angegriffen und dabei antisemitisch beschimpft worden. Einer der Angreifer habe die Opfer mit seinem Gürtel geschlagen – bis ihn seine Begleiter davon abhielten. Nachdem die Opfer sich entfernt hatten, verfolgte der 21-jährige Täter sie nach Polizeiangaben weiter und versuchte, mit einer Glasflasche zuzuschlagen. Nur durch das beherzte Dazwischengehen einer „couragierten Zeugin“ habe das verhindert werden können, teilte die Polizei mit.

Vom ersten Teil des Vorfalls, dem Angriff mit dem Gürtel, gibt es ein Video, das eines der Opfer auf Facebook veröffentlicht hat. Dort ist zu sehen, wie der Angreifer immer wieder mit dem Gürtel zuschlägt und dabei „Yahudi“ ruft, das arabische Wort für Jude. Sein ­Begleiter drängt ihn ab. Danach ist zu hören, wie das Opfer seinem Angreifer den Satz „Jude oder nicht Jude, du musst damit klarkommen“ hinterherruft.

„Es ist unerträglich anzusehen, dass ein junger jüdischer Mann auf offener Straße im gut situierten Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg angegriffen wird, weil er sich als Jude zu erkennen gibt“, verurteilte Levi Salomon, der Sprecher des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus, den Angriff noch in der Nacht. Der Vorfall zeige, dass jüdische Menschen in Berlin nicht sicher seien. Zuletzt hatte im Dezember ein antisemitischer Übergriff in Berlin für Aufsehen gesorgt, als ein israelischer Restaurantbetreiber im Bezirk Schöneberg von einem Passanten minutenlang beschimpft worden war. Auch damals stellte das Opfer ein Handyvideo des Angriffs ins Netz.

Die Anzahl antisemitischer Vorfälle und Angriffe steigt in Berlin seit Jahren an. Laut einem am Mittwoch vorgelegten Bericht der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) gab es im Jahr 2017 947 solcher Vorfälle. Das entspreche einem Zuwachs von mehr als 60 Prozent gegenüber dem Jahr 2016.

Die im Januar 2015 im Auftrag des Berliner Senats gegründete Recherchestelle zählt auch Vorfälle, die unterhalb der Schwelle zum Straftatbestand liegen, wie etwa Kommentare in sozialen Netzwerken. „Gerade jene niedrigschwelligen Vorfälle prägen in ihrer Vielzahl den Alltag von Jüdinnen und Juden, entfalten ein bedrohliches Klima und beeinträchtigen die Lebensqualität jüdischer Gemeinschaften Berlins“, heißt es in dem Bericht. Die gestiegene Zahl führt Rias auch auf die wachsende Bekanntheit des eigenen Meldesystems zurück.

Die Berliner Polizei hat für das Jahr 2017 288 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund registriert – auch das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Jahr 2016. Eine Aufschlüsselung nach Straftatbestand und Tatmotivation liegt bislang nicht vor.

Grundsätzlich wird ein überwiegender Teil antisemitischer Taten von Rechtsex­tremen begangen. Dass in den polizeilichen Statistiken in der Regel mehr als 90 Prozent der Vorfälle diesem Bereich zugeordnet werden, liegt allerdings daran, dass antisemitische Vorfälle grundsätzlich als rechts motivierte politische Kriminalität eingeordnet werden, wenn keine weiteren Anhaltspunkte zu Motivation und Täter vorliegen.