Rücktritt nach dem Migrantenskandal

Die britische Innenministerin Amber Rudd räumt ihren Posten zugunsten von Sajid Javid. Der Migrantensohn soll den schlechten Umgang mit Commonwealth-Zuwanderern ändern

Solidarität mit den Alteinwanderern fordern diese Demonstranten vor dem Parlament, Montag, 30. 4. Foto: Simon Dawson/reuters

Von Daniel Zylbersztajn
(London) und Ralf Sotscheck (Dublin)

Großbritannien hat einen neuen Innenminister: Sajid Javid, Sohn eines aus Pakistan eingewanderten Busfahrers, wurde am Montag ernannt, nach dem Rücktritt seiner Vorgängerin Amber Rudd. Sie hatte inmitten einer stark ­angeheizten politische Atmosphäre falsche Aussagen vor dem Parlament zur Abschiebepolitik ihres Ministeriums gemacht.

Rudds Eiertanz begann am Mittwoch, als sie einem Unterhausausschuss weismachen wollte, dass ihr Ministerium keine Zielvorgaben für die Abschiebung illegaler Migranten gebe. Einen Tag später räumte sie ein, dass diese Vorgaben existierten, aber sie habe davon nichts gewusst. Wieder einen Tag später veröffentlichte der Guardian ein Dokument, aus dem hervorging, dass das Innenministerium sehr wohl informiert war. Rudd behauptete abermals, dieses Dokument nie gesehen zu haben – am Sonntagabend räumte sie schließlich ein, dass es ihre Aufgabe gewesen wäre, sich darüber zu informieren, und reichte um 22 Uhr abends ihren Rücktritt ein.

Im Wahlkampf 2017 hatte Rudd noch Premierministerin Theresa May, ihre Vorgängerin als Innenministerin, bei TV-Debatten vertreten, und EU-Befürworter der Konservativen handelten Rudd oft als potentielle Nachfolgerin Mays. Doch nun ist sie wieder Hinterbänklerin. In ihrem Rücktrittsschreiben an May erklärte sie, sie lege ihr Amt „mit großem Bedauern“ nieder, und May antwortete in einer Weise, die die Spekulation um Rudds Zukunft erneut anheizte: „Ich weiß, dass du noch einen großen Beitrag zum Leben der Nation zu leisten hast, und ich freue mich darauf.“

Javid gilt im Vergleich zu Rudd eher als Brexit-freundlich, doch das mag jetzt egal gewesen sein. Der neue Innenminister steht jetzt vor allem in der Schusslinie vor May, auf deren Amtszeit als Innenministerin 2010–16 die ganze Krise zurückzuführen ist. Unter Attacke durch die rechtspopulistische Ukip wollte May mit einer verschärften Einwanderungspolitik verlorene Stimmen für die Konservativen zurückerobern – und die Verschärfungen trafen auch jene 524.000 aus dem Commonwealth zugewanderte Migranten, die das Recht auf britische Staatsbürgerschaft haben, weil sie vor 1971 einwanderten. Dass dieses Recht neuerdings von britischen Behörden nicht mehr umstandslos anerkannt wird, hat zu einem Skandal geführt, aus dem jetzt Rudd die Konsequenzen gezogen hat.

Zum Amtsantritt versprach Javid am Montag im Parlament, dass er alles tun werde, um die Sache zu richten. Dabei erwähnte er die eigenen Eltern, die 1961 nach Großbritannien gekommen waren: „Als ich hörte, wie Menschen, die die Säulen ihrer Gemeinschaften waren, behandelt wurden, nur weil sie nicht im Besitz der richtigen Papiere waren, dachte ich, das könnte meine Mutter, mein Bruder, Onkel oder sogar ich selber sein“, sagte er. Deshalb werde er die Probleme der sogenannten „Windrush“-Generation – benannt nach dem ersten Schiff, das 1948 Arbeitskräfte aus der Karibik nach Großbritannien brachte – lösen.

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