Benjamin Moldenhauer
Popmusik und Eigensinn
: Auferstanden im Trash

Silvester 1989 sang er am Brandenburger Tor, „für die Deutschen“, wie es damals hieß, „Looking for Freedom“. Nach Freiheit würde er suchen, lange schon, auf der Suche nach einem Zuhause. Der Jubel war frenetisch. So ging es den Leuten, meinten sie, ja auch. David Hasselhoff hatte in einer der erfolgreichsten Fernsehserien der Achtziger die Hauptrolle gespielt, „Knight Rider“; „Baywatch“, eine weitere, sollte im darauf folgenden Jahr starten. Die Lieder, die David Hasselhoff sang, schlossen an die Ästhetik des deutschen Schlagers an. Im Musikantenstadl war Hasselhoff in den Neunzigern gern gesehener Gast.

Dann wurde es ruhiger um ihn, bis 2007 ein von Hasselhoffs 16-jähriger Tochter auf Youtube eingestelltes Video zu zirkulieren begann. Zu sehen war ein Mann, der sich auf dem Boden wälzt und daran scheitert, einen Hamburger zu essen. Die Tochter versucht ihm das Versprechen abzuringen, keinen Alkohol mehr zu trinken, und fragt „Warum tust du dir das an?“. Hasselhoff, kaum noch in der Lage zu sprechen: „Weil ich einsam bin.“

Zumindest darin ist er, glaubt man Adorno, nicht allein: „Jeder Mensch heute, ohne jede Ausnahme, fühlt sich zu wenig geliebt, weil jeder zu wenig lieben kann.“ Eine Gesellschaft jedenfalls, in der ein derartiges Bild mit Begeisterung zum großen Halali und unter lautem Hähähä durch die medialen Kanäle gejagt wird, könnte sich eigentlich auch gleich gehackt legen.

David Hasselhoff definierte sich in der Folge neu und setzt seitdem auf Trash, der um die eigene Trash-Haftigkeit weiß. Er spielte in „Sharknado 3“, „Sharknado 4“ und in „Piranha 2“ und warf sich als Jury-Mitglied von „America’s Got Talent“ in die Wurstfabrik der Casting-Shows. Der Übergang vom Star zum Objekt der Häme erlaubte es dem Publikum, mit auf Autopilot gestellter Dauerironie, das letzte Fitzelchen Überlegenheitsgefühl in sich zu stimulieren. So funktioniert Trash-Rezeption.

Was sind das für Leute, die sich feixend anschauen, wie ein Mensch vor den Augen seiner Tochter auseinanderfällt? Die „Erkalteten, die die eigene Kälte nicht ertragen, aber auch nicht sie ändern können“, von denen Adorno in „Erziehung nach Auschwitz“ spricht? Man weiß es nicht, man will’s nicht wissen. Man kann dem Mann nur wünschen, dass seine Suche irgendwann ein glückliches Ende findet.

Sa., 28. 4., 20 Uhr, ÖVB-Arena