Der erste koreanische Gipfel seit mehr als elf Jahren

Am Freitag trifft Südkoreas Präsident Moon Jae In auf Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un. Es ist nicht nur das erste innerkoreanische Gipfeltreffen seit über elf Jahren, sondern auch das erste Mal, dass ein nordkoreanischer Staatschef südkoreanischen Boden betritt. Die Verhandlungen werden im südkoreanischen Teil des Friedensdorfs Panmunjeom stattfinden, dem symbolischsten Ort für die schmerzhafte Teilung der zwei Koreas: Im Jahr 1953 wurde hier das bis heute geltende Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet.

Das Ziel der südkoreanischen Regierung ist es, an derselben Stelle den brüchigen Waffenstillstand durch ein nachhaltiges Friedenskonstrukt zu ersetzen. Nordkorea hingegen hofft auf eine Lockerung der strikten UN-Wirtschaftssanktionen, die nahezu einer Wirtschaftsblockade gleichkommen, seit sich auch Chinas daran beteiligt.

Vor allem aber pochen die Nordkoreaner auf einen Nichtangriffspakt seitens der US-Amerikaner – andernfalls werden sie ihr als „Überlebensversicherung“ betrachtetes Atomprogramm wohl kaum zur Disposition stellen. Deshalb wird weniger der innerkoreanische Gipfel als das für Ende Mai oder Anfang Juni erwartete Treffen zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump über Erfolg oder Scheitern der nordkoreanischen Charmeoffensive entscheiden.

Drei Entwicklungen haben dazu geführt, dass Pjöngjang nach Jahren der Eskalation wieder an den Verhandlungstisch zurückkehrt: Zum einen hat das Regime sein Atomwaffenprogramm derart weit vorangetrieben, dass es selbstbewusst und mit einem hohen Einsatz in die Gespräche gehen kann.

Zudem scheint die von Trump angeführte Sanktions- und Isolationspolitik Früchte zu tragen. Nachdem Obamas Politik der „strategischen Geduld“ längst als gescheitert gilt, hat sein Nachfolger den Druck auf Nordkorea merklich erhöht – und auch die Drohung eines möglichen Militärschlags glaubhaft vermittelt.

Schließlich steht Staatschef Kim Jong Un unter Druck, sein Versprechen an die Bevölkerung vom steigenden Wohlstand einzulösen. Dies ist jedoch nur bei einer Lockerung der Sanktionen möglich – eine Trumpfkarte, die der Westen nur gegen eine vollständige nukleare Abrüstung aus der Hand geben sollte.

Vor allem aber ist das innerkoreanische Tauwetter dem diplomatischen Geschick von Südkoreas linksgerichtetem Präsidenten Moon Jae In zu verdanken. Erst Moon hat als Vermittler die zwei erratischen Staatschefs in Wash­ington und Pjöngjang an einem Tisch zusammengebracht.

Fabian Kretschmer