„Die Oper muss jetzt Stellung nehmen“

Der Linken-Abgeordnete Norbert Hackbusch über den untersagten Auftritt der Sängerin Julie Fuchs in der Staatsoper. Grund für die Absage ist deren Schwangerschaft

Beim Tennis geht‘s offenbar: die schwangere Mandy Minella aus Luxemburg in Wimbledon Foto: Gareth Fuller/ dpa

Von Cara Westerkamp

taz: Herr Hackbusch, über Facebook, über Twitter, wahrscheinlich auch per Post: Wegen der Entscheidung, die schwangere Julie Fuchs nicht auftreten zu lassen, erntet die Staatsoper Hamburg Kritik von allen Seiten. Zu Recht?

Norbert Hackbusch: Frau Fuchs hat ihre Schwangerschaft frühzeitig mitgeteilt und die Staatsoper hätte kleine Veränderungen an der Inszenierung vornehmen können, die notwendig gewesen wären – so wurde es von beiden Seiten dargestellt. Das Erste ist also, dass es jetzt so wirkt, als wären diese Veränderungen der Staatsoper nun doch zu anstrengend. Einer schwangeren Frau gegenüber ist das eine fahrlässige, unverschämte Rücksichtslosigkeit. Als wäre die Oper ein großes bürokratisches Monster.

Und das Zweite?

Das Zweite ist die ökonomische Situation der Freien: Auch Frau Fuchs war nicht fest angestellt. Deshalb kritisiere ich das Verhalten der Staatsoper, denn Freien gegenüber muss man in solchen Angelegenheiten besonders rücksichtsvoll sein. Früher bedeutete Freier sein, Freiheit. Heute bedeutet es, unter besonders schlechten Bedingungen zu arbeiten. Und davon lebt der Kulturbetrieb ganz gut.

In die Staatsoper fließen außerdem reichlich Steuergelder.

Das stimmt. Die Staatsoper ist ein staatlich sehr gut bezuschusstes Unternehmen, und hat deshalb besonders die Aufgabe, vorbildlich zu sein. Sie hat sich nicht wie eine ferkelige Anwaltskanzlei oder ein Privatunternehmen zu verhalten. Wir sind in Hamburg schon weiter gekommen. In einigen Kulturbetrieben werden Freie inzwischen besser bezahlt – zumindest ein bisschen. Aber es gibt noch einen ganzen Haufen von wichtigen Forderungen, die noch nicht erfüllt sind.

Ist der aktuelle Fall ein Indiz dafür, dass in Sachen Gleichstellung in Hamburg auf der Stelle getreten wird?

Wir haben in der letzten Zeit nicht mehr so viele Schritte getan, so würde ich es formulieren.

Woran liegt das?

Daran, dass man solche Themen nicht kräftig genug diskutiert. Ich finde es mutig von Frau Fuchs, den öffentlichen Diskurs darüber anzuregen. Ich glaube, dass Frauen ihre Schwangerschaft häufig aus Angst nicht zum Thema machen. Und das ist auch die Situation von Freien: Wenn man etwas öffentlich diskutiert, ist man plötzlich die Zicke oder die, die sich ‚anstellt’. Und beim nächsten Mal werden dann lieber die einfacheren Leute eingestellt.

Was ist im Fall von Frau Fuchs in ihren Augen schief gelaufen?

Gerade unter den Umständen dieser Schwangerschaft hätte man jeden Aufwand der Veränderung der Inszenierung in Kauf nehmen müssen. Die Staatsoper sollte mal öffentlich sagen, warum sie das nicht machen will. Das ist ein gesellschaftlicher Skandal.

Und dabei ist die Gesellschaft ja eigentlich weiter.

Wir wissen ja, dass ganz viele Frauen, auch im siebten, achten Monat noch gut in der Lage sind, zu arbeiten und sie sich auch nach Außen hin präsentieren wollen. Das finde ich alles schöne Errungenschaften der letzten Jahrzehnte. Und die sollten in der Staatsoper auch mal ankommen.

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Norbert Hackbusch, 63, ist Mitglied der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft.

Ist die Diskriminierung von Frauen typisch für Kulturinsti­tutionen wie Opern?

Da ist der Kulturbetrieb nicht schlimmer als der Rest der Welt. Dafür sind auch viel zu viele gute Frauen in hohen Positionen, das hat sich ja glücklicherweise mittlerweile verändert. Auf Kampnagel zum Beispiel, oder Karin Beier am Deutschen Schauspielhaus.

Der Konflikt um Julie Fuchs ist trotzdem noch nicht ausdiskutiert. Wer ist jetzt am Zug?

Jetzt ist die Staatsoper dran. Bis jetzt wurde sich eher allgemein geäußert, das kommt mir ein bisschen vor wie ein Totschlagargument. Außerdem hieß es zuerst, man würde über Änderungen nachdenken, dann kommen die mit dem Mutterschutzgesetz. Das ist doch widersprüchlich. Die Oper muss jetzt Stellung nehmen.

Was würden Sie sich davon erhoffen?

Ich würde mich freuen, wenn die Staatsoper ihre Entscheidung korrigieren würde: dass die Veränderungen in der Inszenierung gemacht werden, dass Frau Fuchs ihre Rolle spielt und wir das als Zeichen dafür sehen können, dass der Kulturbetrieb in der Lage ist, mit schwangeren Frauen zusammen arbeiten zu können.