was tun in hamburg?
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So, 22. 4., 21 Uhr, Fabrik

Emigrierter Cantautore

In Italien, ist sich der Sizilianer Pippo Pollina sicher, ist für politisch engagierte Cantautori wie ihn, die noch in den 60ern und 70ern eine große Rolle gespielt hatten, schon lange kein Platz mehr. Das Land hat der Liedermacher lange schon verlassen: Nachdem der Herausgeber der mafiakritischen Zeitschrift I Siciliani, für die er als Student gearbeitet hatte, von der Cosa Nostra ermordet worden war, machte sich Pollina auf eine dreijährige Weltreise, die schließlich im schweizerischen Luzern endete – wo er auf der Straße von seinem Schweizer Kollegen Linard Bardill entdeckt wurde. In der Fabrik gibt es am Sonntag nicht nur politische und poetische Lieder von ihm zu hören, Pollina liest auch aus seinem gerade erschienenen Buch „Verse für die Freiheit“ (Rotpunktverlag 2018, 392 S., 42 Euro): Ein persönlicher Rückblick auf Ereignisse und Begegnungen, die Pollina geprägt haben, seit er sich gezwungen sah, Palermo zu verlassen.

Do, 26. 4., 20 Uhr, Yachtclub

Alles Fake

Hier schreibt einer, der sich mit der Thematik auskennt. Ab 2002 reiste Sven Recker immer wieder als Not- und Katastrophenhelfer in Krisengebiete, schult seit 2009 als Mitarbeiter des in Berlin ansässigen Unternehmens „Media in Cooperation and Transition“ Journalist*innen aus Libyen, Ägypten, Tunesien, Sudan und Südsudan, Sri Lanka und Ruanda vor Ort.

Einen ernsten Hintergrund hat also sein gerade im Nautilus-Verlag erschienener zweiter Roman „Fake Metal Jacket“ (128 S., 18 Euro). Die Geschichte vom Kriegsreporter Peter Larsen aber entpuppt sich als Satire über einen, der die Wirklichkeit so zeigt, wie seine Leser*innen sie eben erwarten. Denn all das, wovon Larsen berichtet, ist ein Fake. Seine Kriegsopfer leiht er sich im benachbarten Asylbewerberheim, Bilder von der Front inszeniert er in Brandenburger Kiesgruben und seinen Freund Ahmad interviewt er mal als Freiheitskämpfer, mal als Warlord. Bis Larsen plötzlich versehentlich doch in Syrien landet. Am Donnerstag stellt er das Buch voller bösem Witz im Yachtclub vor.

Do, 26. 4., 20 Uhr, Café Leonar

Vergessenes Kapitel

Ausgerechnet ins gerade vom Nationalsozialismus befreite Deutschland mussten sie vor dem Antisemitismus in Osteuropa fliehen und sich in Camps für „Displaced People“ in die Obhut der westlichen Siegermächte begeben. Über eine Viertelmillion osteuropäische Juden, vor allem aus Polen, sind in den Nachkriegsjahren in Westdeutschland gestrandet. Hans-Peter Föhrding und Heinz Verfürth zeichnen in ihrem Buch „Als die Juden nach Deutschland flohen“ (KiWi, 352 S., 24 Euro) die politischen Linien der heute weitgehend vergessenen Epoche nach, geben aber auch vielen Einzelschicksalen eine Stimme. Am Donnerstagabend stellen sie das Buch im Jüdischen Salon im Café Leonar vor. (matt)

Fr, 27. 4., bis Mi, 30. 5., diverse Orte

Klang der Utopie

Ist es nun eine Utopie, aus dem vertrauen Klangsystem ins Atonale zu wandern? Oder geht es eher ums Abwerfen eines ausgeleierten politischen Systems zugunsten einer Revolution, wie sie Beethovens „Ode an die Freude“ besang? Ist das einzig wirklich Utopische vielleicht die musikalische Anverwandlung echter kosmischer Klänge im Werk eines Terry Riley? Das Musikfest Hamburg, diesmal unter das Motto „Utopie“ gestellt, hat diese Facetten zu einem dichten Programm aus – meist – zeitgenössischer Musik, Jan Dvořáks „Frankenstein“-Musiktheater und Fritz-Lang-Filmen verwoben.

Ins Zentrum hat man dabei einen gestellt, dessen Musik in den 1960ern sehr utopisch war und der vor zehn Jahren starb: Karlheinz Stockhausen, dessen These, die brennenden Zwillingstürme vom 11. 9. 2001 seien ästhetisch, zur Absetzung seiner Hamburger Konzerte führte. Ihn jetzt explizit wieder hineinzunehmen und den „Donnerstag“ aus seinem 29-stündigen Opernzyklus „Licht“ aufzuführen, der noch nie ganz aufgeführt wurde: Das ist zwar keine revolutionäre, wohl aber eine rehabilitierende, versöhnliche Tat. In Zeiten wachsender Konfrontation fast schon wieder gelebte Utopie. (ps)