Kongress von Karl Marx bis Gender Pay Gap

Ungleiche Bezahlung, Digitalisierung, Bedingungsloses Grundeinkommen: Wenn 2.000 Menschen in Berlin über die Zukunft der Arbeit diskutieren

Arbeit ist Zukunft, doch wie steht es um die Zukunft der Arbeit? All die alltäglichen erfüllenden, öden oder auch nur existenzsichernden Tätigkeiten beschreiben letztendlich eine stete Vorwärtsbewegung. Dabei sind die Richtung und das benutzte Vehikel oft unklar. Beim diesjährigen ausverkauften taz lab im Berliner Haus der Kulturen der Welt wollten wir gemeinsam mit rund 2.000 Besucher*innen Licht ins Dunkel des Arbeitsalltags bringen.

Noch vor der Eröffnung drängten sich die Wartenden in Schlangen vor den Türen, um pünktlich um acht Uhr in den Eingangsbereich gespült zu werden. Referierende, Neugierige, Kinder, Betagte und Arbeitstiere drängten an die Ticketschalter, tauschten Eintrittskarten gegen Veranstaltungsbändchen und freuten sich über die taz-lab-Begrüßungsbeutel.

Das taz lab sei das einzige Event mit Schönwettergarantie, so priesen Georg Löwisch, taz-Chefredakteur, und Jan Feddersen, Kurator des taz lab, zur Eröffnung den Kongress und forderten dem Wetter entsprechend heiße Diskussionen, schweißtreibende Denkarbeit und flirrende Zwischenrufe.

An die Arbeit also – welche Geister des Proletariats mit diesem Wahlspruch gerufen werden, war allen klar. Denn wo vom Wert der Arbeit, von Lohn und Kapitalismus gesprochen wird, dort ist Karl Marx nicht sehr weit. Ohne sich jedoch in Spitzfindigkeiten über historischen Materialismus zu verlieren, stellten am Vormittag Ulrike Herrmann, taz-Wirtschaftsredakteurin, der Wirtschaftsprofessor Werne Plumpe und Jan Feddersen zum 200. Geburtsjahr des Denkers klar: Mit Marx allein werden wir gegenwärtige Probleme nicht besser verstehen, doch als Sprungbrett dienen seine Theorien allemal.

Denn was wir unter Arbeit verstehen, ist Schauplatz unzähliger Ungleichheiten. Es gibt den Gender Pay Gap, also geschlechterspezfische ungleiche Bezahlung im Job, Sexismus am Arbeitsplatz und unvorstellbar hohe Hürden beim Berufseinstieg für Menschen, die nicht weiß, männlich und gut ausgebildet sind. Welche Gegenstrategien dazu vorhanden sind, berichteten auf unterschiedlichen Panels Betroffene. Sie forderten das Publikum dazu auf, sich für Arbeitswelten auch außerhalb der eignen zu sensibilisieren. Denn oft würden ganze Berufsfelder stigmatisiert, deren Ar­bei­te­r*in­nen diskriminiert und somit von der gesellschaftlichen Teilhabe, die Arbeit uns bietet, ausgeschlossen.

Aber wie steht es mit der Digitalisierung als Heilsversprechen besserer Arbeitsverhältnisse? Arbeit 4.0, die digitale Vernetzung unseres Privat- und Arbeitslebens, bietet nicht nur den Stoff für düstere Dystopien, in denen Menschen von Maschinen unterworfen werden, sondern, wie die Wissenschaftlerin Shirley Ogolla zu zeigen verstand, auch neue Partizipationsmöglichkeiten und Formen von Arbeit. Denn gesellschaftliche Teilhabe kann nicht von Maschinen übernommen werden.

So sehen es auch die Verfechter*innen des Bedingungslosen Grundeinkommens, denn wenn wir über die Zukunft der Arbeit sprechen, müsste es auch um eine Befreiung des Menschen aus den Fängen kapitalistischer Herrschaftsverhältnisse gehen. Wenn es möglich ist, dass die „Drecksarbeit“ Maschinen überlassen wird, dann haben Menschen die Chance, nicht als Selbstzweck zu arbeiten, sondern wirklich unabhängig und sinnstiftend tätig zu werden. Ehrenamtliches Engagement könnte gleichberechtigt mit Lohnarbeit verstanden werden, und Geld würde nicht das allein ausschlaggebende Statussymbol bleiben.

Doch beim taz lab ging es auch um solidarischere Arbeitsformen. Gewerkschaftsarbeit ist kein überlebtes Relikt des 20. Jahrhunderts, sondern notwendiges Vehikel im Kampf für gerechtere Verteilung der Arbeit. Die 28-Stunden-Woche und ein gesünderes Verhältnis zur Arbeit geben die Richtung für die Zukunft der Arbeit vor.

Auch wenn einerseits einigen Besucher*innen radikalere Positionen fehlten, der Konsens andererseits bisweilen nicht allzu weit entfernt war: Das „erfolgreichste taz lab“ (Jan Feddersen) entwickelte sich zu einer solidarischen Streitveranstaltung. Torben Becker