Die Stimme finden

Konzert für Stimme im Stimmbruch: Neo Hülcker im Ausland

Von Thomas Mauch

Er ist eine Wachstums­erscheinung, der Stimmbruch, in der Pubertät, wenn alles schubweise größer wird. Auch der Kehlkopf. Die Stimme wird tiefer. Bis sie aber ihre gesicherte Lage neu gefunden hat, kann sie plötzlich brechen, kippen, quietschen. Die Töne verrutschen, unkontrolliert. Eine akustische Desorientierung.

Das aber ist auch musikalisch interessant. Dass es dazu nun überhaupt Überlegungen gibt, ist Neele Hülcker zu verdanken, der 1987 in Hamburg geborenen und in Berlin lebenden Komponistin und Performerin. Dafür brachte sie sich als Neo Hülcker ins Spiel, der sich derzeit im Stimmbruch befinde. Für diese besondere stimmliche Situation ließ sich Hülcker von befreundeten KomponistInnen Stücke schreiben. Am Donnerstag hatte das Konzert für Stimme im Stimmbruch im Ausland seine Uraufführung.

Da waren dann Krächzübungen zu hören und elektronische Stimmstauchungen. Die Verunsicherung des Stimmbrüchlers beim Tönesuchen wurde nachgearbeitet. Es gab Videos mit hübsch bildstotterndem Ringen um den Ausdruck zu sehen und Performances, also genug Abwechslung bei diesen durchaus unterschiedlich argumentierenden Variationen über ein Thema. Manchmal war das juxig, manchmal quälend, so wie der Stimmbruch halt eine Qual ist.

Musikalisch war das interessant, wenn die Stimme der schön stoisch agierenden Hülcker quietschte und brach, beim Stück von Andrea Neumann etwa, eine Art Wiegenlied mit sacht elektronischem Zuspiel, das dann heftig schlitternd aus dem Ruder lief. Auseinandergleitende Töne. Dissonantes. Desorientierung. Musikalisch gefasster Stimmbruch. Wo man seine Stimme findet, wenn man sie gerade zu verlieren meint. Eine grundsätzliche Frage klang gleich darauf in Owen Davis’ Beitrag „Das ist meine Stimme“ mit einer mantramäßigen Identitätsbehauptung an: Was ist das überhaupt, die eigene Stimme?