Serienfestival in Cannes: Lokal gedreht, international abrufbar

Die Welt guckt lokal. Gute Serien-Produktionen kommen dank Streamingplattformen längst nicht mehr nur aus Hollywood.

Einige Leute hüpfen vor einer pinken Wand

Hurray: Die Jury des Serienfestivals in Cannes verabschiedet sich nach getaner Arbeit Foto: reuters

In Cannes wird der „Pink Carpet“ für die besten Serien der Welt ausgerollt – und die kommen inzwischen nicht mehr zwangsläufig nur aus den USA. Gerade wurde auf dem ersten „Cannes Series Festival“ die israelische Produktion „When Heroes Fly“ zur besten Serie gekürt.

Unter den zehn nominierten Produktionen ­fanden sich zudem mit „Aquí En La Tierra“ oder „Mother“ Beiträge aus Mexiko und Südkorea. Die ZDF-Produktion „Die Protokollantin“ stand ebenfalls im ­Rennen. Für Iris Berben wäre solch eine Geschichte im Fern­sehen vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen: „Ich gehöre ja schon lange nicht mehr ins jugendliche Programm, bin eine Frau und spiele dort einen dunklen Charakter – das sind drei Elemente, die früher nicht so unbedingt gepasst hätten.“

Der künstlerische Leiter des Festivals, Albin Lewi, jedenfalls ist sich sicher, „dass die nominierten Serien ihren Weg ins internationale Fernsehprogramm finden werden“. Rund 130 aktuelle Serien aus 30 Ländern hatte die Jury begutachtet. „Es fällt auf, dass immer mehr lokale Geschichten so gut umgesetzt werden, dass sie auch für andere Länder interessant sind“, so sein Resümee.

Dass Serien in den letzten Jahren mehr internationale Verbreitung finden, lässt sich auf die Videoplattformen zurückführen. Das hat etwa Christian Grece, Analyst bei der Europäischen audiovisuellen Informationsstelle, in seiner aktuellen Studie festgestellt: Die Inhalte der Videoplattformen in der EU sind weitgehend homogen.

Paneuropäische Plattformen

Die Angebote von iTunes oder Netflix beispielsweise sind in über der Hälfte der 27 Mitgliedsstaaten abrufbar. „Es ist offensichtlich, dass die paneuropäischen Plattformen dafür sorgen, dass europäische nichtnationale Produktionen mehr zu sehen sind, mehr zirkulieren und sich mehr verbreiten“, sagt der Analyst.

Wie sehr der Serientrend auch die Geschäftsmodelle in Bewegung gebracht hat, offenbarte aktuell der weltgrößte TV-Markt MIPTV, der parallel zum Festival in Südfrankreich stattfand: Fernsehsender tun sich mit Videoplattformen zusammen, Kommunikationskonzerne kooperieren mit Internetanbietern, internationale Allianzen werden gebildet, bisherige Finanzierungssysteme überdacht, modifiziert oder neu herausgebildet.

Die deutsche Praxis, dass Sender Produktionen beauftragen und komplett finanzieren, funktioniert nur noch bedingt, wenn eine Programmstunde aktuell bis zu fünf Millionen Euro kosten kann, so wie bei der Netflix–Reihe „The Crown“ über die junge englische Königin Elisabeth II.

„Auch die klassischen Sender haben gesehen, dass die internationalen Programme der Plattformen beim Publikum gut ankommen“, so Grece, „und die verstärkte internationale Konkurrenz zwingt sie dazu, immer­ mehr zu investieren.“ Das Publikum gewöhnt sich an die hohe Qualität und erwartet sie auch von nationalen Sendern. Und die mischen immer mehr mit. Auf ZDF Neo etwa wird voraussichtlich im Herbst die düstere Krimireihe „Parfum“ laufen. Zeitgleich bringt Partner Net­flix die Serie in seine Videothek – in fast 200 Ländern, Deutschland ausgenommen.

Partnerschaften

„Partnerschaften von Netflix und ZDF Neo wie bei ‚Parfum‘ waren früher undenkbar“, kommentierte der verantwortliche Produzent Oliver Berben die Zusammenarbeit. Ebenso kündigte der Geschäftsführer von Warner TV Deutschland René Jamm mehr Fernsehprojekte an, deren Geschichten in zwei oder drei Ländern spielen: „Damit können wir Themen für kleinere Zielgruppen umsetzen, die auf einem nationalen Markt für ein Massenpublikum ungeeignet und daher nie finanzierbar gewesen wären.“

In der Branche ist man sich darüber einig, dass die bisherigen Konzeptionen auf dem Prüfstand stehen. „Wenn man als Plattform agiert, kann man nicht nur Nischenprogramme produzieren, und auch umgekehrt werden die klassischen TV-Sender zunehmend kleinere Zielgruppen bedienen müssen“, formulierte es Moritz Polter von der Bavaria, der an der Croisette unter anderem die fast 27 Millionen Euro teure Serienproduktion „Das Boot“ (Sky) sowie das deutsch-französische Gemeinschaftswerk „Germanized“ (Deutsche Telekom und Amazon Frankreich) vorstellte.

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