Gesetz zur Verhinderung von Kinderarbeit: Schmutzige Grabsteine

Viele der hiesigen Grabmale stammen aus indischen Steinbrüchen, wo Kinder schuften. Niedersachsen will solche Steine jetzt verbieten. Aber das ist nicht so einfach.

Ein Grabstein mit einer Figur, die die Hände faltete.

Fromm und von zweifelhafter Herkunft: Hiesige Grabsteine stammen oft aus indischen Steinbrüchen Foto: dpa

BREMEN taz | Eine Lebenserwartung von 30 bis 40 Jahren, Staublunge, Verstümmelungen: Das droht den rund 100.000 Kindern, die nach Angaben der UNO in indischen Ziegeleien und Steinbrüchen schuften. Von dort werden die schmucken Natursteine nach Europa verschifft und zieren auf hiesigen Friedhöfen die Gräber.

In Niedersachsen soll damit jetzt Schluss sein: Verhindern soll das ein neues Bestattungs- und Friedhofsgesetz, zu dem es am Donnerstag im Sozialausschuss des Landtages eine Anhörung gab.

Mit dem neuen Gesetz können Gemeinden in ihren Friedhofssatzungen den Einsatz von Steinen aus Ländern untersagen, in denen „das Übereinkommen über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit“ nicht eingehalten wird. Das ist etwa in Indien der Fall, von wo ein großer Teil der hier verwendeten Grabsteine importiert wird.

Ob das Gesetz seine löbliche Wirkung jedoch entfalten kann, ist unklar: Im Jahr 2013 kippte das Bundesverwaltungsgericht eine entsprechende Gemeindesatzung unter anderem mit der Begründung, die Art des Nachweises sei für den Betroffenen zu unklar. So gibt es zwar Organisationen, die Arbeitsprozesse etwa in Indien überwachen und auch Prüfsiegel ausstellen, es bleibe aber ungewiss, welche dieser Siegel als Nachweis gültig sind.

Diese Information bleibt auch der niedersächsische Gesetzesentwurf schuldig. Hier heißt es lediglich: „Der Nachweis ist zu führen durch ein Zertifikat einer unabhängigen Organisation, die sich für die Beachtung der Mindestanforderungen einsetzt, die Mitgliedschaft in einer Initiative, die sich für die Beachtung der Mindestanforderungen einsetzt“ – oder auch „der gleichwertigen Erklärung eines Dritten“.

Rechtsstreitigkeiten befürchtet

Während Kirchen und Bestattungsunternehmen die neue Regelung begrüßen, kommt Kritik unter anderem vom Landesinnungsverband für das Steinmetz- und Bildhauerhandwerk in Niedersachsen, der eine Vielzahl an Rechtsstreitigkeiten befürchtet, weil nicht klar ist, wer die Angaben über die Herkunft der Steine eigentlich überprüft.

Auch die Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas e. V. vermisst präzisere Anforderungen an die zertifizierenden Organisationen. Die Geschäftsführerin des Bundesverbands Deutscher Steinmetze, Sybille Trawinski, verweist auf Pressemitteilungen des Verbands, in denen es heißt: „Der Handwerker vor Ort muss den Versprechungen dieser Händler oder den von unabhängigen Agenturen und Vereinen angebotenen Zertifizierungen vertrauen.“

Kinderarbeit? Nie gehört

Dass das nicht ohne Weiteres praktikabel ist, hat etwa der Bremische Senat in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion im März 2017 festgestellt: Obwohl das Land Bremen die Städte Bremen und Bremerhaven seit 2015 ermächtigt hat, entsprechende Regelungen in die Friedhofssatzungen aufzunehmen, ist das bislang nicht geschehen, „da eine rechtssichere Umsetzung aufgrund von inzwischen ergangener Rechtssprechung fraglich erscheint“. Gegenwärtig, so heißt es in der Senatsantwort, lasse sich eine allgemeine Verkehrsauffassung, welche bestehenden Zertifikate als verlässlich einzustufen sind, nicht feststellen.

In Schleswig-Holstein wiederum gibt es gar keine landesrechtliche Regelung. Das zuständige Sozialministerium verweist an die Landesinnung des Steinmetzhandwerks, doch hier hat man von Kinderarbeit in indischen Steinbrüchen überhaupt noch nie gehört: „Das sagen Sie!“, entgegnet der Landesinnungs-Obermeister Wulf Helmert aus Ratzeburg.

Dass neben der UNO auch die niedersächsische Landesregierung davon ausgeht, importierte Natursteine aus Indien würden unter Ausbeutung von Kindern gewonnen – geschenkt: „Das ist Niedersachsen.“ Alles nur Behauptungen der Presse, so der Obermeister. Seine Firma wirbt im Internet für „Naturstein für ein würdevolles Gedenken“.

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