Rache an Reportern geht weiter

In Myanmar müssen zwei Journalisten in Haft bleiben, die Massaker an Rohingya nachgewiesen hatten

Wa Lone dreht sich um, hält seine mit Handschellen gefesselten Hände über die Holzbank zu seiner Frau und schüttelt den Kopf. Die Anklage gegen ihn und seinen Kollegen wird nicht wie von der Verteidigung beantragt fallen gelassen. Der Prozess geht weiter. Zum 14. Mal schon sind die beiden Reuters-Journalisten am Mittwochmorgen vor Gericht erschienen.

In Myanmar sind sie wegen Spionage angeklagt. Wa Lone und Kyaw Soe Oo wurden im Dezember festgenommen, nachdem sie zu einem Massengrab im Krisenstaat Rakhine recherchiert hatten. Indem sie Geständnisse von Tätern sammelten, brachten die beiden als bisher einzige Journalisten das Lügengerüst von Regierung und Militär zum Einsturz, die Menschenrechtsverletzungen leugnen. Seit August flohen 700.000 Rohingya aus Myanmar. Die UNO nennt die Militäroperation eine „ethnische Säuberung“ und schließt Völkermord nicht aus.

Das Prozedere am Gerichtshof im Norden von Yangon ist jede Woche gleich: Hinter Stacheldraht bringen sich Fotografen und Kameraleute in Stellung. Kyaw Soe Oos zweijährige Tochter klatscht in die Hände, wenn sie ihren Vater im Polizeiwagen entdeckt. Diplomaten fächeln sich im stickigen Gerichtssaal Luft zu.

In der Nacht zuvor gab das Militär bekannt, dass vier Offiziere und drei Soldaten im Zusammenhang mit dem Rohingya-Massaker unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu zehn Jahren Haft verurteilt worden seien. „Wieso bekommen Soldaten für einen Mord zehn Jahre, und wir sollen für 14 Jahre ins Gefängnis, weil wir das Verbrechen aufgedeckt haben?“, ruft Wa Lone, während Polizisten ihn in ihren Wagen drängen.

„Wir sind zutiefst enttäuscht“, erklärt Reuters-Chefredakteur Stephen J. Adler nach der Gerichtsentscheidung. Der dänische Botschafter Peter Lysholt Hansen sagt: „Man sollte den beiden Journalisten danken, statt sie zu bestrafen.“ Die EU-Botschaft erklärt, die Inhaftierung der beiden entbehre jeglicher Grundlage und stelle eine „ernstzunehmende Einschüchterung von Journalisten“ dar.

Freunde brachten für Wa Lone, der am Mittwoch 32 wurde, eine Geburtstagstorte. Doch die Stimmung ist nach der Anhörung gedrückt. Viele Unterstützer waren wegen des anstehenden buddhistischen Neujahrs und des Präsidentenwechsels, beides traditionelle Anlässe für Amnestien in Myanmar, mit Hoffnung auf gute Nachrichten zum Gericht gekommen.

Während der Fall international für Schlagzeilen sorgt und Prominente wie UN-Generalsekretär Antonio Guterres oder Ex-US-Präsident Bill Clinton sich für die Freilassung der beiden ausgesprochen hatten, sind in Myanmar nicht alle dafür. „Ich will gar nicht laut aussprechen, was manche auf Facebook über Wa Lone sagen“, erzählt dessen Frau Pan Ei Mon. Sie erwartet im August ihr erstes Kind.

Bei einer Konferenz zum Zustand der Demokratisierung im August hatte der inzwischen stellvertretende Informationsminister Aung Hla Tun Journalisten auf ihre Verantwortung für den Ruf Myanmars in der Welt hingewiesen. „Wir sind keine Verräter“, ruft Wa Lone Reportern zu. „Ohne die Wahrheit wird es in Myanmar nie Frieden geben“, wettert Kyaw Soe Oo.

Vor zwei Wochen wurde bekannt, dass die prominente Menschenrechtsanwältin Amal Clooney dem Verteidigerteam beratend zur Seite steht. Beobachter glauben, dass es damit für die Regierung schwieriger geworden sei, den Fall ohne Gesichtsverlust zu beenden. Ob der Prozess fair sei? „Beobachten Sie selbst, was in unserem Land passiert und fällen Sie Ihr eigenes Urteil“, sagt Khin Maung Zaw, einer der beiden lokalen Verteidiger. Verena Hölzl, Yangon