Die Besten sollen die Ersten sein

Beim Grundschultag 2005 in Köln erklärt Schulministerin Barbara Sommer (CDU) die Eckpfeiler ihrer Politik: mehr Leistungsdrill für Schüler, mehr Arbeit für Lehrer, mehr Macht für ehrgeizige Eltern

AUS KÖLN HENK RAIJER

Schule macht dumm. Zumindest auf Dauer. Zumindest in Deutschland. „Je länger deutsche Kinder und Jugendliche zur Schule gehen, desto schlechter werden sie im internationalen Vergleich“, erklärte gestern in Köln vor gut 300 Grundschullehrern und pädagogischen Fachkräften der Dortmunder Pädagogikprofessor Wilfried Bos. Das immer noch bestehende 13. Schuljahr und das niederschmetternde Abschneiden deutscher Schüler beim internationalen PISA-Test würden unterstreichen, dass „Bildungspolitik hierzulande in den letzten 20 Jahren im Blindflug“ gemacht worden sei.

Der Deutschlandkoordinator der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) kritisierte am „Grundschultag 2005“ an der Uni Köln, dass trotz der vergleichsweise vielen Unterrichtsstunden, die deutsche Schüler in Fächern wie etwa Mathe oder Physik erhalten, ihre Leistungen laut PISA-Studie weit unter Durchschnitt blieben. „Es kommt eben nichts dabei heraus, wenn man schlechten Unterricht verdoppelt“, sagte Bos mit einem Seitenhieb auf Curricula und Lernmethoden an deutschen Schulen.

Die Bildungsmisere gelte aber ausdrücklich nicht für die Grundschule, beruhigte Bos nach diesen klaren Worten sein Auditorium, das auf Einladung des NRW-Landesverbandes Bildung und Erziehung (VBE) gekommen war, um gemeinsam mit Fachreferenten in Arbeitskreisen die „Herausforderung Grundschule“ anzunehmen. „Hier jammern wir auf hohem Niveau“, stellte Bos klar, räumte aber zugleich mit einigen Mythen auf. „Wenn man sich Leistungen im Vergleich ansieht, weist nichts darauf hin, dass große Klassen schlechtere Leistungen hervorbringen und gute Schulen besseren Unterricht machen“, sagte Bos, der sich, wie er betonte, von der neuen NRW-Landesregierung in seinen Auffassungen zu Leistungsorientierung und Bewertung bestätigt sieht. „Was hindert uns daran, gleich in der Grundschule gute Leistungen hervorzuheben?“

Nichts, unterstrich NRW-Schulministerin Barbara Sommer (CDU), die beim Grundschultag 2005 antrat, um Lehrerinnen und Lehrer im Saal wie im Lande die Eckpfeiler der neuen Bildungspolitik zu eröffnen. „Leistung ist nichts Schlechtes, Leistungsbewertung ist nicht falsch“, betonte Sommer, die sich deutlich freute, „dass man sowas heute wieder sagen darf“. Es sei wichtig, auch in der Grundschule Leistung in den Vordergrund zu rücken, sagte die Ministerin, die Zensuren ab der 2. Klasse und Kopfnoten für das Arbeits- und Sozialverhalten einführen will.

Die Ministerin, gerade gut zwei Monate im Amt, machte sogleich klar, dass sie ohne Abstriche zum Koalitionsvertrag mit der FDP stehe. Dies bedeute, dass das drängende Problem des viel zu hohen Unterrichtsausfalls auch auf Kosten der Weiter- und Fortbildung der Lehrkräfte angegangen werde, die Ganztagsgrundschule durch Hinzuziehung von Fachkräften für die Nachmittagsbetreuung qualitativ unterfüttert werde und die integrierten Schulkindergärten abgeschafft würden.

Darüber hinaus bekräftigte Sommer das Vorhaben der NRW-Landesregierung, wonach ab 2008 Eltern die Grundschule ihrer Kinder frei wählen können und nicht wie bisher durch ihren Wohnort an Schulbezirke gebunden sein werden. „Es wird die Öffnung geben“, sagte die Ministerin und begegnete Bedenken, wonach die geplante Novelle einen Run auf gute Schulen zur Folge haben könnte, mit dem Argument, dass es eine „Durchmischung“ von deutschen Schülern und Kindern mit Migrationshintergrund wohnortbedingt doch auch bisher an Rhein und Ruhr kaum gegeben habe.

Dafür erntete Sommer scharfe Kritik vom Vorsitzenden des VBE-Landesverbandes. „Wir lehnen diesen Plan entschieden ab“, sagte Udo Beckmann. „Wozu die Ghettoisierung von Migrantenkindern führt, sehen wir ja am Beispiel der Niederlande. Dort heißen Schulen, die mehrheitlich von Migrantenkindern besucht werden, ‚schwarze Schulen‘, und die werden von holländischen Eltern tunlichst gemieden“, so Beckmann. „Diesen Fehler müssen wir ja in Nordrhein-Westfalen nicht wiederholen.“