London setzt Ultimatum

Bis Mitternacht soll sich Moskau im Giftgas-Fall erklären. Russland will damit nichts zu tun haben

Minister Lawrow reagierte erbost: Verdächtigungen seien „Quatsch“

Von Dominic Johnson
und Klaus-Helge Donath

Großbritanniens Premierministerin Theresa May hat Russland im Fall um den vergifteten russischen Exdoppelagenten Sergei Skripal ein Ultimatum gesetzt. Bis Mitternacht in der Nacht zum Mittwoch soll Moskau eine „glaubwürdige“ Erklärung für den Einsatz eines in Russland produzierten chemischen Kampfstoffs beim Anschlag auf Skripal und seine Tochter Julia liefern.

Wörtlich sagte sie vor dem Parlament in London am Montagabend: „Es ist jetzt klar, dass Herr Skripal und seine Tochter mit einem militärischen Nervenkampfstoff eines von Russland entwickelten Typs vergiftet wurden. Er ist Teil einer als ‚Nowitschok‘ bekannten Gruppe von Kampfstoffen.“ Es gebe dafür „nur zwei plausible Erklärungen“: entweder ein „direkter Akt“ des russischen Staates – oder ein „Kontrollverlust“ der russischen Regierung, die zugelassen habe, dass der Kampfstoff in andere Hände gerät.

Am Nachmittag des 4. März hatten Passanten auf einer Parkbank im südenglischen Salisbury Sergei Skripal und seine Tochter in kritischem Zustand entdeckt. Sie liegen bis heute auf der Intensivstation. Auch ein Polizist, der als Erstes Skripals Haus durchsuchte, musste behandelt werden, ebenso 20 weitere Menschen. Ein Restaurant, ein Pub und die Grabstelle von Skripals Frau, wo sich die beiden aufgehalten hatten, wurden abgeriegelt.

Außenminister Sergei Lawrow reagierte erbost. Die Verdächtigungen seien „Quatsch“, sagte er. „Wir haben damit nichts zu tun.“ Lawrow forderte Zugang zu den Ermittlungen und zu den Gasproben, um eigene Untersuchungen vornehmen zu können. Auch bestellte Moskau den britischen Botschafter ein. Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums hatte das Vorgehen Großbritanniens zuvor als „gewöhnliche informationspolitische Kampagne mit dem Ziel der Provokation“ bezeichnet.

Am Mittwoch wird der britische Nationale Sicherheitsrat in London zusammentreten, um zu befinden, ob Russland eine zufriedenstellende Antwort gegeben hat. Wenn nicht, wird erwartet, dass May Strafmaßnahmen ankündigt. Im Gespräch sind Presseberichten zufolge neben einem Boykott der bevorstehenden Fußball-WM in Russland durch britische Politiker auch Ausweisungen russischer Diplomaten, ein „Cyberangriff“ gegen Russland, die Aufstockung des britischen Nato-Kontingents im Baltikum und ein Gesetz, das weitreichend Finanzsanktionen gegen Russen ermöglicht. Mays Formulierung, wonach der Angriff ein „rechtswidriger Gewaltakt gegen Großbritannien“ war, öffnet zudem die Tür zu Gegenmaßnahmen im Rahmen des Rechts auf Selbstverteidigung, beispielsweise auf Nato-Ebene.