Versöhnliche EU: Freihandel nach dem Brexit

Der EU-Ratspräsident stellt Richtlinien für ein Abkommen mit Großbritannien vor. Freier Handel sei „Kern der Wirtschaftsbeziehungen“.

EU-Ratspräsident Donald Tusk mit der britischen Premierministerin Theresa May

Versöhnlich: EU-Ratspräsident Donald Tusk und die britische Premierministerin Theresa May Foto: ap

BERLIN taz | Die Europäische Union hat sich erstmals zu dem Ziel bekannt, mit Großbritannien nach dem britischen EU-Austritt ein Freihandelsabkommen zu schließen. Dies werde „der Kern der Wirtschaftsbeziehungen“ zwischen EU und Großbritannien nach dem Brexit sein, so das Grundsatzpapier, das EU-Ratspräsident Donald Tusk am Mittwoch in Brüssel vorstellte. Das Papier enthält die Verhandlungsrichtlinien der EU für ein Abkommen über die zukünftigen Beziehungen mit London. Bisher wurde sub­stanziell nur über die Austrittsbedingungen verhandelt, nicht über die Zeit danach.

Ein umfassendes Freihandelsabkommen mit der EU gehört zum Kern der britischen Vorstellungen für die Zeit nach dem Brexit, wie sie Premierministerin Theresa May wiederholt dargelegt hat. Aus britischer Sicht würde kompletter Freihandel auch den Streit über die innerirische Grenze, die nicht neu als „harte Grenze“ errichtet werden soll, gegenstandslos machen.

Bisher hatte die EU es abgelehnt, sich ihrerseits festzulegen. Insofern stellt Tusks Papier ein Entgegenkommen dar, vor allem nach dem konfrontativen Ton des Brexit-Unterhändlers der EU-Kommission, Michel Barnier, in der vergangenen Woche. Nach Tusks Vorlage würde ein Freihandelsabkommen zollfreien Warenhandel in allen Branchen ohne Obergrenzen erlauben – die am weitesten gehende Variante.

Im Gegenzug aber verlangt Tusk etwas, was die Briten empören dürfte: nämlich die Beibehaltung des existierenden wechselseitigen Zugangs zu Fischereigewässern und -beständen. In der EU haben alle Fischereiflotten Zugang zu allen EU-Gewässern gemäß einem jährlich ausgehandelten Quotensystem. Großbritannien mit den größten Fischereigewässern Europas ist dabei der Verlierer gegenüber den Flotten Spaniens und Frankreichs. Eine Verknüpfung von Freihandel mit dem freien Zugang zu Fischbeständen wäre aus Brexit-Sicht „Rosinenpickerei“ seitens der EU, die ihrerseits britische Forderungen nach branchenspezifischen Regelungen gerne als Rosinenpickerei ablehnt.

Zu Zollfragen – ein heißes Eisen wegen der Frage der inneririschen Grenze – strebt Tusk eine „angemessene Zusammenarbeit“ an, „bei Wahrung der regulatorischen und rechtlichen Autonomie der Parteien“. Das ist unkonkret, schließt aber vermutlich Barniers Modell einer Sonderregelung für Nordirland aus. Bei Dienstleistungen – etwa dem Finanzsektor – ist von „Marktzugang unter den Regeln des Gastgeberlandes“ die Rede, was in etwa dem bestehenden Verhältnis zu den USA entspricht. Dies würde die Rolle Londons als wichtigstes Finanz­zentrum der anderen EU-Staaten nicht antasten.

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