Benno Schirrmeister über sozialdemokratische Heißluft und tödliche Abgase
: Lieber umsonst als zu billig

Präventivjammern ist seit der Erfindung des Verbrennungsmotors die größte Errungenschaft der deutschen Automobilindustrie: Diese Kulturtechnik sorgt dafür, dass sie weder zur Rechenschaft gezogen noch auf Innovationen verpflichtet wird. Ihren Verbreitungsgrad belegt das Gespräch, das Niedersachsens früherer Minister für Wirtschaft und VW in seiner neuen Funktion – Olaf Lies (SPD) soll jetzt für Umwelt zuständig sein – mit den Städten in Sachen Luftreinhaltung geführt hat. Ergebnis: Man wird sich was einfallen lassen müssen. Aber im Grunde sei das alles „händelbar“.

Das ist verstörend angesichts der Tödlichkeit des Problems: Laut Umweltbundesamt sterben in Deutschland jährlich 6.000 Menschen infolge des übermäßigen Stickoxid-Ausstoßes vorzeitig. Da auf Sofort-Maßnahmen zu verzichten, heißt unverantwortlich, ja zynisch, zu handeln, denn unter den Immissionen leiden vor allem Angestellte, Arbeiter, Arbeitslose, die nicht in bewaldeten Villenvierteln residieren: Deren Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit ist für Niedersachsens Sozialdemokratie also – händelbar.

Der Bundesumweltrat empfiehlt Fahrverbote als wirksame Maßnahme. Niedersachsens Regierung aber hat das Vorab-Weinen ihres Weltkonzerns verinnerlicht: Nicht überlegt wird, welche Anknüpfungspunkte dessen Großbetrug bietet, VW zur Milderung der finanziellen Härten infolge von Fahrverboten heranzuziehen. Stattdessen bejammert man diese als „Enteignung“, mit der man „die Falschen“ treffe. Und sinniert, wie Lies, über eine konkretisierungsbedürftige, langfristige „Verkehrswende“, die sicher nachhaltig wäre, wenn sie dereinst umgesetzt wird – am Sankt Nimmerleinstag.

Klar: Schon kurz nach Amtsantritt als Umweltminister hatte Lies verkündet, dass eine blaue Plakette „eine zu billige Lösung“ wäre. Für billige Lösungen aber sind Niedersachsens Sozialdemokraten nun mal nicht zu haben. Die lassen lieber weiter sterben. Denn der Tod ist nicht billig. Der Tod ist umsonst.

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