Lange Haftstrafen für somalische Piraten

URTEIL Hamburger Gericht verurteilt Somalier, die ein deutsches Containerschiff gekapert hatten

„Es geht hier um international organisierte Kriminalität“

RICHTER BERND STEINMETZ

AUS HAMBURG CHRISTIAN RATH

Das Landgericht Hamburg hat zehn somalische Piraten wegen Angriffs auf den Seeverkehr zu Freiheitsstrafen verurteilt. „Wir sind davon überzeugt, dass keiner von ihnen zu dieser Tat gezwungen wurde“, sagte der Vorsitzende Richter Bernd Steinmetz gestern zu Beginn der Urteilsverkündung. Die Täter hätten allerdings Hintermänner gehabt, die immer noch nicht bekannt seien. „Es geht hier um international organisierte Kriminalität“, so Steinmetz.

Die zehn Angeklagten waren am Ostermontag 2010 auf frischer Tat im Indischen Ozean festgenommen worden. Mit zwei Motorbooten hatten die Piraten 950 Kilometer östlich von Somalia das Containerschiff MS „Taipan“ angegriffen. Als die Besatzung merkte, dass sie nicht entkommen kann, setzte sie einen Notruf ab und machte das Schiff manövrierunfähig. Der deutsche Kapitän zog sich mit der Besatzung in einen Sicherheitsraum zurück und wartete.

Tatsächlich traf nach drei Stunden das niederländische Marineschiff „Tromp“ ein. Nach einem Schusswechsel enterten die Soldaten das Schiff und nahmen die Piraten ohne weitere Widerstände fest. Bei sich hatten die Somalis fünf Kalaschnikow-Sturmgewehre, zwei Raketenwerfer, zwei Pistolen, zwei Messer und zwanzig Magazine Munition.

Die Holländer brachten die Piraten nach Europa, nach einigen Wochen wurden sie nach Deutschland ausgeliefert. Dass der Prozess in Deutschland stattfindet, hat einen einfachen Grund. Die MS „Taipan“ gehört einer Hamburger Reederei und fuhr auch unter deutscher Flagge. Wenn auf einem solchen Boot eine Straftat stattfindet, ist deutsches Strafrecht anwendbar.

Der Prozess dauerte 105 Verhandlungstage und nahm immer wieder erstaunliche Wendungen. Im Frühjahr war bereits mit dem Urteil gerechnet worden, als einer der Angeklagten, der 1983 geborene Abdul K. D., ein Geständnis ablegte. Die Angeklagten seien gar nicht zu der Tat gezwungen worden, wie viele von ihnen immer behauptet hatten, sagte K. D. Vielmehr hätten sie sogar Verträge über eine Gewinnbeteiligung abgeschlossen. Er selbst sei aber nur als Übersetzer dabei gewesen. Die anderen neun Angeklagten nannten K. D. einen Lügner und bezeichneten nun ihrerseits K. D. als Anführer.

Das Gericht verurteilte sieben Piraten zu Haftstrafen zwischen sechs und sieben Jahren. K. D. erhielt sechs Jahre Freiheitsstrafe. Das Gericht glaubte ihm, soweit er eigene Taten einräumte, nicht aber, soweit er andere belastete. Drei Piraten die zur Tatzeit erst 17 oder 18 Jahre alt waren, erhielten Jugendstrafen von je zwei Jahren. Diese gelten als bereits durch die Untersuchungshaft verbüßt. Die beiden waren schon im April aus der U-Haft entlassen worden.

Die Richter ließen die schlimme Situation im Bürgerkriegsland Somalia nicht als Rechtfertigung für die Taten gelten. Auch die zeitweise Überfischung der Fischgründe sei im Jahr 2010 kein Grund zur Piraterie gewesen. Vielmehr hätten sich die Fischgründe längst wieder erholt. Richter Steinmetz fand das Verfahren zwar zu lang, machte dafür aber die Verteidiger verantwortlich. Im Ergebnis sei es „nicht gescheitert, im Gegenteil“. Um den Opfern von Piraterie Genugtuung zu geben, seien solche Prozesse erforderlich.

Die Somalier können noch Rechtsmittel einlegen. Die Haftstrafen müssen dann in Deutschland verbüßt werden.

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