Konfrontationskurs halten!

„Konsens führt zum Stillstand“, sagt Brigitte Behrens. Die Chefin von Greenpeace Deutschland verspricht zum 25. Geburtstag der Umwelt-Organisation: Der Gegenwind aus Hamburg flaut nicht ab

Interview: Reiner Metzger
und Bascha Mika

taz: Pünktlich zum 25. Greenpeace-Geburtstag wird eine ehemalige Umweltministerin wahrscheinlich Kanzlerin. Freut Sie das?

Brigitte Behrens: Nein, natürlich nicht. Frau Merkel ist für mich der Rückfall ins Atomzeitalter. Ich war davon ausgegangen, dass wir zumindest den Einstieg in den Ausstieg geschafft haben.

Wie wollen Sie denn die angedrohte Renaissance der Atomenergie verhindern?

Als politische Pressuregroup können wir nicht alles verhindern, was wir gerne verhindern würden. Aber eine Kampagne haben wir bereits gestartet.

Mit Ihrem Markenzeichen, einer spektakulären Aktion?

In der Öffentlichkeit sind die Gefahren der Atomenergie nicht mehr so präsent. Spektakuläres Auftreten allein kann sie nicht deutlich machen. Außerdem werden Aktionen von uns nur eingesetzt, wenn wir die Politik nicht überzeugen können.

Gibt es deswegen weniger große Greenpeace-Auftritte, weil Sie sich stärker auf verbale Überzeugungsarbeit konzentrieren?

Nein. Greenpeace hat nie nur Aktionen gemacht ohne begleitende Lobbyarbeit. Schließlich ist es unser Ziel, zu internationalen Vereinbarungen zu kommen, um einen nachhaltigen Umweltschutz zu gewährleisten.

Die „Weltwoche“ nannte sie deswegen den „Panik-Konzern“, die Umweltbewegung arbeitet schon immer gern mit Endzeit-Vorstellungen. Viele davon haben sich nicht erfüllt.

Auf eine Gefahr aufmerksam zu machen, ist keine Panikmache. Schließlich müssen wir uns fragen, was passieren würde, wenn wir einfach alles so weiter laufen lassen wie bisher. Zum Beispiel mit den Urwäldern. Dann werden sie im Jahr 2050 alle verschwunden sein. Das muss man drastisch darstellen, damit Leute, die Bücher kaufen, sich überlegen, ob ihr Harry Potter auf FSC-zertifiziertem oder urwaldzerstörendem Papier gedruckt ist.

Aber viele Verbraucher nehmen das Billigste, Punkt. Das ist ja das Problem – der Verbraucher reagiert nicht, wie er soll.

Ich glaube, es gibt auch beim Verbraucher, der wenig Geld hat und nach einem Schnäppchen guckt, das Bedürfnis, die Umwelt zu erhalten. Und in vielen Fällen ist ihm auch nicht klar, was er anrichtet. Da spielen Greenpeace und andere Umweltverbände eine große Rolle.

Sie sehen den Hauptkonflikt nach wie vor zwischen Industrie und Umwelt?

In gewisser Weise ja. Deshalb suchen wir die Konfrontation, wo sich Industrieunternehmen oder ganze Branchen überhaupt nicht in Richtung einer ökologischen Produktionsweise bewegen. Wir können ja nicht diejenigen außen vor lassen, die über das Know-how und die finanziellen Mittel verfügen, um tatsächlich etwas in andere Produktionsweisen zu investieren. Wollen wir auch nicht.

Außerdem kämen Sie in ein Dilemma, wenn Sie die Verbraucher stärker unter Druck setzen.

Wieso?

Glauben Sie, dass jemand, der 100 Euro im Jahr für Greenpeace spendet, sich beschimpfen lässt, weil er das falsche Papier kauft, zu viel Auto fährt,…

Wir beschimpfen die Verbraucher nicht, wir klären sie auf und versuchen sie zu aktivieren. Und obwohl es immer heißt, Umwelt sei aus der Mode gekommen, steigt die Zahl unserer Unterstützer. Es gibt die Konfrontation mit dem Verbraucher nicht, die Sie hier versuchen aufzubauen ...

Sind Ihre Förderer mit Ihrer Arbeit zufrieden?

Es gibt natürlich immer vereinzelte Förderer, die sagen, ach, könnt ihr nicht mal aufhören, zum Thema Atomkraft zu arbeiten, dann würde ich euch noch Summe X überweisen. Wir als Gesamtorganisation haben aber ganz klar die Devise: Wir entscheiden, was aus unserer Sicht die richtigen Kampagnen sind und machen nicht vorher eine Fördererbefragung um herauszubekommen, ob nun die Unterstützer in China, den USA und Deutschland alle der Meinung sind, dass wir uns für den Schutz der Urwälder einsetzen sollten.

Diese intransparenten Strukturen bringen Ihnen jede Menge Kritik ein. Einige wenige Leute entscheiden und die Förderer haben kein Mitspracherecht.

Unsere Entscheidungen fällen wir als internationale Gruppe, mit 29 Geschäftsführungen und dem internationalen Vorstand. Abstimmung in den jeweiligen Ländern würde lange Vorlaufzeiten und entsprechend viel Geld kosten.

Ist das nicht eine moderne Form des Ablasshandels?

Nicht jeder, der etwas für die Umwelt tun will, will sich auch weiter engagieren. Und den Vorwurf, das sei Ablasshandel, mit dem man sich ein gutes Gewissen erkauft, finde ich ein bisschen fies. Wir geben den Leuten ja kein ruhiges Gewissen dafür. Sie müssen nach wie vor auch ihr eigenes Verhalten überprüfen

Vor Jahren hat einer ihrer Campaigner Autofahren als im Kern asoziale Tätigkeit und die Internationale Automobilausstellung als obszöne Veranstaltung bezeichnet. Würden Sie das heute auch so sagen?

Inhaltlich würde ich an dieser Einschätzung nichts zurücknehmen. Und eine provokative Sprache ist durchaus in Ordnung. Der Autoverkehr hat eine sehr menschenverachtende Entwicklung genommen.

Aber bei Kampagnen muss man die Leute natürlich auch abholen. Geht das heute noch mit so einer radikalen Aussage?

Durch die Entwicklung zu einer Konsensgesellschaft wird Konfrontation nicht mehr als gesellschaftlich akzeptabel gesehen. Das merken wir. Aber Konsens führt zum Stillstand. Deshalb ist wichtig, dass wir als Greenpeace weiterhin konfrontativ sind.