Berliner Wochenkommentar II: Keine Lust auf Sommermärchen

Auch wenn Regierende Bürgermeister und Exkanzler das nicht glauben wollen: Die BerlinerInnen träumen nicht von Olympia in ihrer Stadt.

Olympia wer? Sorry, aber der Döner wird kalt! Foto: dpa

Als Anfang dieser Woche nach Exkanzler Gerhard Schröder auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (beide SPD) verkündete, dass er eine erneute Olympia-Bewerbung Berlins für eine Supersache halte, interviewte der RBB dazu BerlinerInnen. Die Reaktionen ähnelten sich bei Laien und Fachleuten: von „Sorry, keine Zeit, mein Döner wird kalt“ über „Das schaffen wir nicht“ (Bürger) bis zu „Ich hab die Schnauze voll, das steht gegenwärtig nicht an“ (Klaus Böger, Präsident des Landessportbundes).

Ich erinnere mich an einen Ökumenischen Kirchentag vor 15 Jahren: U-Bahnen voller freundlich-orientierungsloser Menschen, die komische Dialekte sprachen. Gern gab ich Auskunft, Tipps, Trost und Rat: Ich fühlte mich – wie viele andere BerlinerInnen damals – wie eine Gastgeberin. Ganz ähnlich war das noch bei der Fußball-WM 2006, deren Spiele teilweise in Berlin ausgetragen wurden und die nicht zuletzt wegen der guten Stimmung in der Hauptstadt als „Sommermärchen“ in Erinnerung blieb. Was auch dem Selbstbild und -bewusstsein der plötzlich zu Weltstädtern gewordenen BerlinerInnen guttat.

Wenn Pläne für derartige Großveranstaltungen heute eher Angst und Schrecken als Begeisterung bei vielen BerlinerInnen auslösen, liegt das auch daran, dass immer mehr von ihnen mit den Nachteilen des neuen Weltstadtdaseins konfrontiert sind. Explodierende Mieten und Immobilienpreise, große Bauvorhaben, deren stets steigende Kosten zumindest teilweise ihnen als SteuerzahlerInnen aufgebürdet werden, überfüllte Busse, Bahnen, Straßen, Kitas, Schulen, Krankenhäuser, Bürgerämter, die dem Wachsen der Stadt nicht mehr hinterherkommen.

Die Berliner wollen, dass zunächst ihre ganz konkreten Probleme gelöst werden, bevor sie sich selbst und die Stadt, in der sie ihren Alltag bewältigen müssen, politischer Großmannssucht als Kulisse zur Verfügung stellen. Dass führende SPD-Politiker das nicht begreifen, zeigt, wie weit sie trotz aller gegenteiliger Beteuerungen der Sozialdemokraten vom Alltag der Menschen, die sie wählen sollen, entfernt sind. Alke Wierth

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