„Nicht geeignet, die Medienvielfalt zu erhalten“

KARTELLRECHT Im neuen Gesetzesentwurf zur Pressefusionskontrolle kommt die Bundesregierung den Verlegern weit entgegen

„Die Bundesregierung hat ohne eine Medienstatistik völlig ins Blaue hinein reguliert“

TABEA RÖSSNER, DIE GRÜNEN

Jetzt sollte auf einmal alles ganz schnell gehen. Da hatte die Bundesregierung wie beim Leistungsschutzrecht Monate an einer Neufassung des besonderen Kartellrechts für die Presse gestrickt, der Kabinettsentwurf lag auch schon länger rum. Am vergangenen Donnerstag stand die Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), wie das Kartellrecht offiziell heißt, nun auf der Tagesordnung – und es reichte immerhin für eine halbe Stunde Debatte im Plenum. Am Ende ist man den Verlegern bei der Neuregelung der „Pressefusionskontrolle“ noch weiter als bisher entgegengekommen.

Die Pressefusionskontrolle soll die Übernahme von immer mehr Lokal- und Regionalblättern durch große Konzerne wie Springer oder die WAZ-Gruppe wenigstens erschweren. Jeder Fall muss beim Kartellamt zur Genehmigung vorgelegt werden. Normalerweise sind erst Unternehmenszusammenschlüsse ab einem gemeinsamen Umsatz von einer halben Milliarde Euro anmeldepflichtig. Um der besonderen Bedeutung der Presse für ein demokratisches System Rechnung zu tragen, entschied hier das Kartellamt bereits ab einer „Aufgreifschwelle“ von 25 Millionen Euro Umsatz mit. Demnach könnte die taz nicht einmal die Junge Welt übernehmen.

Wenn der Bundesrat der GWB-Neufassung zustimmt, müssen Übernahmen im Pressebereich erst ab 65 Millionen Euro Gesamtumsatz im Jahr beim Kartellamt angemeldet werden. Außerdem gilt im neuen Gesetz – und dies war den Verlegern besonders wichtig – eine sogenannte Bagatellklausel. Wenn es um eine Zeitung geht, die in ihrem Markt (sprich: Erscheinungsgebiet) zwar ohne lokale Konkurrenz erscheint, aber unter 15 Millionen Euro Umsatz im Jahr bleibt, ist eine Übernahme fürderhin erlaubt. Vor allem im Süden und Südwesten Deutschlands gibt es noch eine ganze Menge solch kleinerer Blätter.

Und dann ist da noch die sogenannte Sanierungsfusion. Sie soll eine Übernahme dann erlauben, wenn der fragliche Titel ansonsten vom Markt verschwände. Allein dies öffnet kreativem Bilanzieren Tür und Tor: In Zukunft reicht es nachzuweisen, „dass der übernommene Verlag in den letzten drei Jahren einen erheblichen Jahresfehlbetrag im Sinne des Handelsgesetzbuchs hatte“. Sich hier in die roten Zahlen zu rechnen, sollte vielen Verlagen in Zeiten der großen Anzeigeneinbrüche und rückgängiger Auflagen nicht schwerfallen.

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) begrüßte die Gesetzesnovelle als „wichtige Richtungsentscheidung“, mit der die Verlage „stärker als bisher gemeinsam den Herausforderungen im digitalen Medienmarkt“ begegnen könnten. Außerdem gilt das energische Vorgehen beim GWB zugunsten der Verleger auch ein bisschen als Trostpflaster für das bestenfalls in arg gestutzter Form kommende Leistungsschutzrecht. Ablehnung kommt vor allem von den Grünen: „Die Neuregelungen bei der Pressefusionskontrolle sind nicht geeignet, die Vielfalt zu erhalten oder die Verlage wettbewerbsfähiger zu machen“, sagt deren medienpolitische Sprecherin Tabea Rößner. Sie verweist darauf, dass niemand die wirklichen Zahlen kennt, wie gut oder schlecht es den Verlagen geht: „Die Bundesregierung hat ohne eine Medienstatistik völlig ins Blaue hinein reguliert“, so Rößner – beziehungsweise allgemeines Branchengejammer.

Immerhin nicht alles war schlecht an diesem Donnerstag: Das von einigen Großverlagen am liebsten abgeschaffte Pressegrosso-System, das den Zeitungsvertrieb am Kiosk regelt, wird im neuen GWB ausdrücklich festgeschrieben. STG