Ackern bei den Dickhäutern

Von der Wahrheit in den Tierpark: ein Tag als Elefantenpflegerin im Karlsruher Zoo

Elefanten sind „Hands on“-Tiere, sie lassen sich durchaus von Menschen berühren

Vor kurzem erwachte ich plötzlich mit einer tollen Idee: Tierpflegerin wollte ich werden! Den lieben langen Tag mit Tigerbabys spielen, Elefanten streicheln und mich dafür fürstlich entlohnen lassen – das war so ganz nach meinem Gusto. Ob ich in der Wahrheit arbeite oder im Zoo, so viele Unterschiede sollte es da nicht geben. Jetzt musste sich nur noch ein Tierpark finden, und nach einigen Telefonaten erklärte sich der Karlsruher Zoo dann auch gern dazu bereit, mich zu beschäftigen: Ich sollte ein Tagespraktikum absolvieren.

Einige Tage später ist es so weit: Der freundliche stellvertretende Zoodirektor Dr. Clemens Becker bringt mich frühmorgens um 8.30 Uhr persönlich zum Elefantenhaus, denn bei den Elefanten soll ich anfangen. Dort übergibt er mich an Elefantenpfleger Robert Scholz, der mich mit den drei alten Elefantendamen Shanti, Rani und Nepal bekannt macht. Shanti wurde 1956 geboren, ist 2,49 Meter hoch und die Anführerin des Trios; Rani wurde 1955 geboren, ist 2,58 Meter hoch und ist Zweite in der Rangfolge; und Nepal wurde 1956 geboren, ist 2,41 Meter hoch und bekommt es ab, wenn die beiden anderen mal schlechte Laune haben. „Nachts müssen wir die drei mit Gittern trennen, sonst kann es vorkommen, dass Nepal von Shanti regelrecht gemobbt wird“, erzählt Robert, „sie geht sonst manchmal hin, macht Krawall und lässt Nepal nicht schlafen.“

Robert ist 27 Jahre alt und seit acht Jahren für die großen Tiere zuständig, die ihn als Alpha-Kuh akzeptieren – und so muss das auch sein, denn die Elefanten sind sehr stark und könnten einen Menschen selbst durch einen beiläufigen Rüsselschlag schwer verletzen.

Als Erstes steht Fußpflege auf dem Programm: Robert gibt ein Kommando, Rani setzt ihren rechten Vorderhuf oder -fuß – wie heißt das eigentlich bei Elefanten? – auf einen Schemel, und jetzt wird geackert! Robert bearbeitet die Zehennägel mit einer großen Feile, was ziemlich anstrengend ist. „Jeden Tag mache ich einen Elefantenfuß, und wenn ich nach zwölf Tagen mit allen durch bin, dann fange ich beim ersten wieder an.“

Schon hier kommen mir erste leise Zweifel, ob ich tatsächlich für den Job geeignet bin. Es ist ja nicht nur das frühe Aufstehen, das dagegen spricht: Dr. Becker hat mir erzählt, dass im Schnitt in Deutschland jedes Jahr ein Elefantenpfleger durch Elefanteneinwirkung ums Leben kommt. „Das liegt an den häufigen Wechseln der Betreuer“, erklärt Robert, „die Tiere müssen einen mögen, sonst kann man es vergessen. Es könnte durchaus sein, dass ich in einem anderen Zoo meine Arbeit nicht machen könnte, weil die Elefanten mich einfach nicht leiden können.“ Dann würden die Dickhäuter einfach nicht auf ihn hören und machen, was sie wollen.

„Elefanten sind wie kleine Kinder“, erzählt er weiter, „sie reizen immer alles aus, ständig testen sie, wie weit sie gehen können, jeden Tag aufs Neue, immer wieder muss ich mich durchsetzen. Außerdem sind sie schlampig – ich muss immer wieder Übungen mit ihnen machen, damit sie meine Kommandos befolgen. Das sind einfache, aber wichtige Übungen. Ich könnte zum Beispiel Ranis Fuß nicht bearbeiten, wenn sie den nicht artig auf den Schemel gesetzt hätte.“

Ob die Elefanten mir auch gehorchen würden, wenn ich die richtigen Kommandos kennen würde, möchte ich gern wissen. Robert grinst. „Nun ja, ich schätze, eine halbe Stunde ungefähr würden sie das vielleicht tun – schon allein aus Vorsicht, denn sie wissen ja noch nicht, was du so drauf hast. Aber nach spätestens 45 Minuten hätten sie gecheckt, dass du ihnen hoffnungslos unterlegen bist, und dann würden sie ihre Spielchen mit dir treiben.“

Wir stehen jetzt bei Anführerin Shanti, und ich füttere sie mit trockenem Brot, um mich bei ihr einzuschmeicheln. So ein Elefant ist schon ziemlich groß, wenn man direkt daneben steht, und es ist ein seltsames Gefühl, wenn er mit seinem Rüssel an einem herumfummelt. Aber Shanti ist angekettet, es kann also nicht viel passieren. Außerdem hat sie kluge und freundliche Augen. „Die sind nur eine Stunde am Tag angekettet, damit sie sich an die Ketten gewöhnen, falls man die mal braucht. Wenn zum Beispiel der Tierarzt mal kommen muss, um sie zu behandeln. Dann muss man sie fixieren, denn der Tierarzt ist ein rotes Tuch für die Damen. Sie sind zwar seit 50 Jahren in Menschenhand, aber sie bleiben dennoch unberechenbare Wildtiere.“

Nun kommt der spaßige Teil, jedenfalls sieht es spaßig aus: Elefanten mit dem Schlauch abspritzen. „Das muss auch täglich sein, sonst fangen sie irgendwann an zu riechen.“

Dr. Becker kommt vorbei und schickt mich jetzt zu den Giraffen Bara, Max, Alice und Trudi. Dort melde ich mich bei Pfleger Michael Heneka. Die Giraffen wollen sich lieber nicht von mir streicheln lassen. „Das liegt daran, dass Giraffen ‚Hands off‘-Tiere sind – anders als die Elefanten, die ‚Hands on‘-Tiere sind“, erklärt mir Michael, der 28 Jahre alt ist und seine Arbeit sehr gern macht, wie er sagt. „Aber viele unterschätzen das, was wir hier machen. Man muss bedenken, dass man manchmal auch Tiere töten muss. Man muss nicht nur dabei sein, wenn mal ein Tier, das einem ans Herz gewachsen ist, eingeschläfert werden muss – je nachdem, in welchem Bereich man arbeitet, muss man auch mal Futtertiere töten. Das ist natürlich nicht einfach und viele scheitern daran.“

Vor meinem geistigen Auge sehe ich mich, wie ich den Küken und Mäusen, die den Schlangen als Futter dienen, den Hals umdrehe. Aber es kommt noch schlimmer: „Die Ausbildung dauert drei Jahre“, antwortet Michael auf meine Frage. „Mit Berufsschule?“, hake ich ängstlich nach. „Selbstverständlich.“ – „Mit Mathematik?“ – „Mit Mathematik und Betriebswirtschaftslehre.“ Das ist nun wirklich zu hart. Fluchtartig verlasse ich das Terrain. Der Zoo ist auf der anderen Seite der Gehege einfach schöner. CORINNA STEGEMANN