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Ein Biobauer zeigt es dem Maximo Líder

Fernando Funes ist promovierter Agrarexperte und macht Ernst. Vor sechs Jahren kratzte er alle Ersparnisse zusammen und baute Kubas erfolgreichste Bio-Farm auf. Heute beliefert die Finca Marta 25 Restaurants in Havanna. Das sorgt für Aufmerksamkeit

Finca Marta: ein 8 Hektar großes, ursprünglich karges, steiniges Grundstück mit einem alten Farmhaus Foto: Knut Henkel

Von Knut Henkel

Die 35 Kilometer zwischen seiner Wohnung im Stadtteil Vedado von Havanna und der Finca Marta kann Fernando Funes quasi mit verbundenen Augen fahren. Drei- bis viermal pro Woche ist er mit seinem alten Lada unterwegs, um Restaurants in Havanna mit frischem Gemüse zu beliefern, seine Familie für das Wochenende auf dem Land abzuholen oder mal wieder eine Auslandsreise vorzubereiten.

Fernando Funes Monzote, wie er mit ganzem Namen heißt, gehört zu Kubas international bekannten Experten des biologischen Anbaus und, anders als viele Kollegen, ist er von der Theorie in die Praxis gewechselt. „Nachdem ich meinen Doktor an der holländischen Agrar-Universität Wageningen gemacht hatte, gab es die Option, in der Stadt zu leben und Forschungsprojekte unter der Woche auf dem Land zu koordinieren. Ich habe mich vor sechs Jahren gegen diese Komfortvariante entschieden“, erklärt der 46-Jährige mit einem breiten Grinsen.

Funes hat seine Ersparnisse und die seiner Frau Claudia in die Finca Marta investiert – ein 8 Hektar großes, ursprünglich karges, steiniges Grundstück mit einem alten Farmhaus. Die umliegenden Campesinos, fast alle mit besseren Böden ausgestattet, hielten den Neuankömmling, der als Erstes einen Brunnen bauen wollte, für total bescheuert. „Wir hatten kein geeignetes Equipment, mussten aber durch mehrere Steinschichten“, erinnert sich Funes lachend. Gemeinsam mit dem lokalen Brunnenbauer Juan Machado trieb er den fast 15 Meter tiefen Schacht in die Erde, bevor ihnen nach dem Durchstoßen der letzten Steinschicht klares Wasser über die Füße lief. Das wird heute mit einer modernen Solarpumpe nach oben gefördert.

Die ist so ziemlich das Einzige auf der Finca Marta, was Funes geschenkt bekommen hat. Alles andere auf der 8-Hektar-Farm, die mittlerweile über 150 Beete verfügt, die durch Steinmäuerchen voneinander getrennt und teilweise terrassiert sind, hat Funes selbst im Laufe der Zeit angeschafft oder gebastelt. Natürlich haben ihm auch die knapp zwanzig Mitarbeiter, die auf der Finca Marta Gemüse, Kräuter und Früchte ziehen, hier und da unter die Arme gegriffen – mit Ideen und handwerklichem Geschick.

Der Start war alles andere als einfach, denn auf den nährstoffarmen Böden hatten sich Marabú und Maroma breitgemacht – die beiden buschigen, teils dornigen Pflanzen, deren Wurzeln sich tief im Boden verankern. Die haben auf Kuba viele Flächen erobert, wo früher angebaut wurde, und müssen ausgegraben und förmlich aus dem Untergrund ausgerissen werden, sagt Funes schulterzuckend. Auf der Finca Marta kamen dabei Esel und Ochsen zum Einsatz, und langsam wurde aus der von Erosionsrinnen zerfurchten, kargen Landschaft ein blühender Garten, der Gemüse en gros produziert. Zweimal pro Woche wird geerntet und dank einer Lizenz als distribudor mayorista, als Großhändler, darf Fernando Funes rund zwei Dutzend Restaurants in Havanna beliefern.

Darunter auch El Litoral, der Feinschmeckertempel von dem bekannten Fotografen José A. Fi­gueroa, wo wirklich gute Salate angeboten werden. In Havanna früher eine Seltenheit, aber heute durchaus gefragt, worauf Kubas Spitzenköche wie Alain Rivas vom El Litoral oder Carlos Cristóbal Márquez vom San Cristobal reagieren. Biogemüse, aber auch Kräuter und Früchte sind gefragt in Havanna und die Spitzenrestaurants zahlen gute Preise.

Ein Grund, weshalb die Finca Marta nicht nur ein Vorzeigeprojekt für Bio-Fans von der Insel und von außerhalb ist, sondern auch attraktive Löhne zahlen kann. Zwischen 1.600 und 2.000 Peso im Monat, umgerechnet 66 bis 83 US-Dollar, zahlt Fernando Funes, je nachdem, ob seine knapp zwanzig Angestellten morgens oder am Nachmittag mit der Arbeit auf der schmucken Finca beginnen.

Die umliegenden Campesinos hielten den Neuen für total bescheuert

Die lebt jedoch nicht nur vom Verkauf von Gemüse an Havannas Spitzengastronomie, sondern verkauft auch Honig en gros und bietet zweimal pro Woche ein Buffet an. Das hat sich auch unter Touristen und Reiseveranstaltern herumgesprochen. Funes’ ökonomischer Einfallsreichtum gepaart mit seiner Bio-Expertise haben im April 2016 Fidel Castro nach Caimito geführt. Das kleine Dorf liegt direkt an der Autobahn Richtung Pinar del Río, und bei Kilometer 19 befindet sich die Abzweigung zur Finca Marta.

Deren Geschichte hat Kubas im November 2016 verstorbenen Maximo Líder derart beeindruckt, dass er sich gut drei Stunden nahm, um sich alles bis ins Detail von Fernando Funes erklären zu lassen. Das ausgeklügelte System zur Wasserversorgung der Beete, die mächtige Zisterne, die das Team um Fernando Funes für die trockenen Monate konstruiert hat, oder die Maßnahmen zur Bodenverbesserung über Kompost und Mist, all das hat Kubas langjährigen Staatschef interessiert.

Gleiches gilt auch für die Vielfalt der Produkte, die die Finca Marta hervorbringt. Kräuter wie Oregano, Majoran, Minze oder Petersilie werden genauso angeboten wie Kopfsalat, Rucola, Cherry-Tomaten oder Sellerie, aber auch Obstbäume und ein paar Kaffeesträucher gibt es auf der Finca, deren Böden dank Kompost und Mist heute deutlich besser sind als früher. Energetisch ist die Finca Marta dank Biogasanlage und Sonnenkollektoren, die nicht nur die Pumpe des Brunnens antreiben, weitgehend autark.

Obendrein beliefern Funes und sein Team eine nahe gelegene Schule unentgeltlich, und auch die Bibliothek der Finca steht den Nachbarn offen. Das hat seinen Grund, denn Fer­nando Funes will, dass sein Beispiel Schule macht, und das könnte durchaus passieren. So war im Sommer 2017 ein Journalistenteam von „Cuba Debate“, einem der kommunistischen Partei der Insel nahestehenden Nachrichtenportal, vor Ort, um die Finca Marta in einer detaillierten Reportage vorzustellen. Für Kubas innovativen Biobauer so etwas wie der Beleg, dass seine Biofarm als Modell für andere taugen könnte, und genau das hat er im Sinn.