Studieren auf der Insel trotz Brexit

Mehr Praxis, kleinere Gruppen, kürzerer Master – trotz Studiengebühren von bis zu 9.000 Pfund pro Studien­jahr zieht es deutsche Studierende an britische Unis

Bis mindestens 2019 nehmen britische Unis am Erasmus-Programm teilnehmen Foto: Eric Tschaen/REA/laif

Von Joachim Göres

Mehr als 18.000 Deutsche studieren in Großbritannien – britische Universitäten stehen bei ihnen ganz oben auf der Liste der beliebtesten Hochschulen im Ausland. Doch wird das nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union noch so sein? Kürzlich stellten sich 30 Unis aus England und Wales in Düsseldorf, Hannover, Hamburg und Berlin vor, um neue Studierende aus Deutschland zu werben.

„Diese britische Hochschulmesse organisieren wir seit 18 Jahren“, sagt Martin Spieß, Projektmanager beim British Council in Berlin. Die Veränderungen, die sich durch den Brexit ergeben, stehen im Mittelpunkt der Gespräche auf der Messe. Besonders häufig geht es dabei ums Geld. Nach den Angaben von Spieß dürfen die Studiengebühren bis mindestens 2019 für EU-Bürger nicht höher sein als für Einheimische, und auch beim Zugang zu Studienkrediten und -zuschüssen sind sie bis dahin mit britischen Studierenden gleichgestellt.

An der University of Chichester in Südengland kostet das Studienjahr 9.000 Euro. „Derzeit kommen weniger Studierende aus Osteuropa zu uns, während die Zahlen aus Deutschland, Frankreich oder Italien steigen. Wir hoffen natürlich, dass sich das durch den Brexit nicht ändert“, sagt Berater Ian Jones. Er muss auf der Hochschulmesse seinen Gesprächspartnern immer wieder versichern, dass sie auf der Insel willkommen seien – groß ist die Verunsicherung gerade bei denjenigen, die eine Region ins Auge gefasst haben, in der mehrheitlich für den Brexit gestimmt wurde.

Von den 5.000 Studierenden an der Uni Chichester stammen 300 aus dem Ausland, davon etwa 30 aus Deutschland. Jones versucht mit kleinen Klassen (bis zu 15 Studierende), intensiver Betreuung – „Wir tun alles, um das Einleben zu erleichtern und bieten etwa Englisch-Tutorien an“ – sowie geringeren Lebenshaltungskosten als in Großstädten bei den Besuchern zu punkten. Nach seinen Worten haben Studierende aus Deutschland bei den Lehrkräften einen guten Ruf: „Die sind meist sehr kompetent und an das selbstständige Arbeiten gewöhnt.“

Ann-Kathrin Lieke steht als Lehramtsstudentin mit den Fächern Deutsch und Englisch an der Uni Hildesheim kurz vor dem Bachelor. Die 24-Jährige überlegt, den Master in England zu machen, weil sie dort auch als Lehrerin arbeiten will. „Mit den Arbeitsbedingungen an deutschen Schulen bin ich nicht zufrieden“, in England seien sie besser, sagt Lieke. Beim Studienberater der St. Mary’s Universitiy Twickenham aus London erfährt sie vom Sprachtest, den alle ausländischen Bewerber bestehen müssen. „Das war für mich neu. Doch das wird nicht das Problem sein. Und auch eine vielleicht ablehnende Stimmung gegenüber Ausländern beeinflusst mich nicht – wenn man motiviert ist, schafft man es“, ist sie überzeugt.

Für viele junge Menschen ist es längst normal, ein oder zwei Semester im Ausland zu studieren. Die meisten deutschen Studierenden entschieden sich laut dem Deutsche Akademischen Auslandsdienst (DAAD) im Jahr 2016 für spanische Universitäten (7.662), gefolgt von Unis in Großbritannien (7.199, bis mindestens 2019 werden britische Unis am Erasmus-Programm teilnehmen) und Frankreich (7.153). Zur Finanzierung werden Gelder aus dem Erasmus-Programm der EU besonders häufig in Anspruch genommen – 3.327-mal erhielten Bewerber im Jahr 2016 Erasmus-Mittel für ein Studium in Großbritannien. Für das Erasmus-Programm bewirbt man sich an seiner deutschen Uni, die Erasmus-Hochschulkoordinatoren und das Akademische Auslandsamt beraten. Tipps zum Studium in Großbritannien gibt es auch beim British Council (www.britishcouncil.de). Weitere Möglichkeiten für einen Auslandsaufenthalt für junge Menschen bieten das Work & Travel-Programm (www.travelworks.de) sowie das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ, www.bundes-freiwilligendienst.de) und das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ, foej.de). jg

Bernd Schröder studiert BWL im fünften Semester und will später am liebsten bei einer Bank, einer Versicherung oder als Wirtschaftsprüfer arbeiten. „In Großbritannien ist das Studium praktischer ausgerichtet, die Qualität der Lehre ist höher und der Master dauert nur ein Jahr. Viele studieren im Ausland, bei einer Bewerbung ist das sicher kein Nachteil“, sagt er. Schröder hat sich das Rating der britischen Unis angeschaut, die sich in Hannover vorstellen. „Oxford und Cambridge sind überteuert, aber es gibt es auch andere sehr gute Unis“, sagt er.

Laut Spieß sind es nicht nur Kinder wohlhabender Eltern, die sich für ein Studium in Großbritannien interessieren: „Schottland ist sehr beliebt, denn dort kostet das Bachelor-Studium nichts. 9.000 Pfund pro Studienjahr ist an britischen Unis der Höchstbetrag, es gibt aber auch Universitäten, an denen man 3.000 Euro zahlt.“ Zudem gebe es einen Studentenaustausch zwischen einzelnen deutschen und britischen Hochschulen, ohne dass dafür Studiengebühren gezahlt werden müssten.

Neben der Abiturnote und dem Bestehen eines Sprachtests („Für die meisten kein Problem, die Englischkenntnisse sind heute deutlich besser als vor 20 Jahren“) sind nach Angaben von Spieß die inhaltlichen Gründe einer Bewerbung entscheidend: „Das Motivationsschreiben spielt für britische Unis eine große Rolle.“ Die meisten Deutschen wollten nach London. Der Rat von Spieß: „London ist nicht für jeden geeignet. Manche fühlen sich an einer Campus-Uni wohler, wo es übersichtlicher ist. Seine Wahl sollte man letztlich von den Inhalten abhängig machen.“

Die nächsten britischen Hochschulmessen werden voraussichtlich im November in Köln, Frankfurt a. M., Stutt­gart und München stattfinden