Kommentar von Dominic Johnson
: Eine Chance für Südafrika

Es ist vollbracht. Cyril Ramaphosa ist Südafrikas neuer Präsident. Jacob Zuma kam der Peinlichkeit eines Rauswurfs aus dem höchsten Staatsamt per Misstrauensvotum im Parlament zuvor und erklärte seinen Rücktritt selbst. Der Schritt erfolgte widerwillig, aber Zuma ersparte sich eine öffentliche Demütigung.

Für Südafrika ergibt sich nun die Chance eines Neuanfangs unter ANC-Führung. Cyril Ramaphosa, der bereits im Dezember Zuma als Parteichef abgelöst hatte, steht für die Rückkehr der historischen Befreiungsbewegung zu ihren Wurzeln. Der Mann, der einst Nelson Mandelas Mikrofon hielt, als dieser nach seiner Freilassung aus der Haft am 11. Februar 1990 vor den jubelnden Südafrikanern sprach und damit das Ende der Apartheid-Unterdrückung einläutete, wird nun selbst die Nummer eins – aus Sicht vieler Veteranen des Befreiungskampfes ein längst überfälliger Schritt.

Neun Jahre war Jacob Zuma an der Macht, und für Südafrika waren es neun verlorene Jahre. Das Land büßte in dieser Zeit seinen Status als stärkste Volkswirtschaft Afrikas ein, der ANC verlor seine Vorreiterrolle. Zwar machte die Krise des ANC immerhin das Aufblühen von politischer Opposition in Südafrika ohne Anklänge an die Apartheid-Geschichte möglich – mit der Abspaltung des radikalen Gewerkschaftsflügels als neue linke Kraft und der Erneuerung der einst weißen liberalen Opposition unter schwarzer Führung –, doch der ANC behielt die Hoheit über die meisten Institutionen und Machtmittel und höhlte sie von innen aus.

Es wird lange dauern, bis Südafrika sich davon erholt. Zu unverfroren war die Weise, in der sich Zuma, seine Familie und seine Günstlinge von der reichen Investorenfamilie Gupta kaufen ließen und diese im Gegenzug Südafrikas Volkswirtschaft und Staatsapparat in ihren Würgegriff ziehen durfte. Und lange vorher war Zuma schon rein menschlich eine fragwürdige Wahl. Wer nach der mutmaßlichen Vergewaltigung einer HIV-positiven Freundin der Familie erklärt, er habe hinterher geduscht und damit das Risiko einer Aidsinfektion beseitigt, und dann vor dem fälligen Gerichtstermin mit seinen Freunden das Guerillalied „Bring mir mein Maschinengewehr“ anstimmt, ist als Präsident eigentlich sowieso nicht tragbar.

Ein Neuanfang für Südafrika muss auch einen Neuanfang in der politischen Kultur bedeuten. Die Frage ist nun, ob ein Wechsel an der Staatsspitze dafür genügt. Zuma geht, aber der ANC bleibt. Und der gestürzte Präsident wäre nicht so lange Präsident gewesen, wenn er nicht bis jetzt über erhebliche Rückendeckung in seiner Partei verfügte.

Mindestens so wichtig wie der Machtwechsel an der Staatsspitze wird der Gang der laufenden Ermittlungsverfahren gegen den Gupta-Clan und seine Freunde. Weitere Festnahmen und Anklagen werden folgen, möglicherweise gegen Zuma und seine Familie selbst. Wie der ANC damit umgeht – das wird die eigentliche Probe dafür sein, ob Nelson Mandelas Erben zu einem Neuanfang in der Lage sind.