Bezaubernder Traum aus Glam

Das Poptrio Dream Wife möchte die Welt nach Spinal-Tap-Manier erobern

Von Julia Lorenz

Bevor Dream Wife eine Band wurden, waren sie ein Witz. Wie wohl jede gute Rock-’n’-Roll-Story soll die Historie des Trios in einem Club begonnen haben, mit Drinks, Übermut und dem Schwur, die Welt zu erobern. Im Fall von Dream Wife waren es die Isländerin Rakel Mjöll und die Britin Bella Podpadec, damals Studentinnen der bildenden und visuellen Künste an der University Brighton, die beschlossen, gemeinsam mit ihrer Kommilitonin Alice Go eine Band zu gründen – für einen einmaligen Auftritt nur: Dream Wife wurde erdacht als Performanceprojekt, als Fake-Gruppe, um die sich eine Mockumentary entspinnen sollte. Spinal Tap als All-Girl-Band.

Dann aber stellte man fest, dass die Idee, sich einem Ideal mittels Überzeichnung anzunähern, gar nicht so verkehrt ist. Aus der Bandpersiflage wurde eine Band, die sich von Europa bis Nordamerika einen Ruf als furioser Bühnen-Act erspielte. Als gelte es diesen zu verteidigen, beginnt Dream Wifes selbstbetiteltes Debütalbum so rauschhaft, kompromisslos und verschwenderisch, wie sich Zuspätgeborene eine Nacht im legendären New Yorker Punkclub CBGB’s vorstellen. Im Video zum Auftaktsong „Let’s Make Out“ ufert eine Prom-Night – befeuert vom Sound der Band – zur orgiastischen Abrissparty aus, die betrunkene Lovebirds mit verschmiertem Lippenstift zurücklässt; die Gesichtsbemalung der Anstifterinnen auf der Bühne – stilistisch zwischen Ziggy Stardust und Kiss – sitzt hingegen perfekt. Weichzeichneroptik, Rockposen in Abendkleidern: Ein bisschen Spinal Tap ist immer noch bei Dream Wife.

Wie so oft, wenn Frauen Grantiges mit Gitarren veranstalten, ist man versucht, das Trio in Riot-Grrrl-Tradition zu stellen. Nicht ohne Berechtigung, tarieren Dream Wife das Verhältnis zwischen Lärm und College-poppiger Harmonie schließlich so lehrbuchtauglich aus wie einst ­­Sleater-Kinney – man höre etwa den von Handclaps getriebenen Instant-Hit „Hey Heartbreaker“ oder „Fire“, das mit Strokes-Gedächtnisgitarren eröffnet und schließlich zu schönster Girlgroup-Duseligkeit findet. Im wüsten „F.U.U.“ kommen die Spice Girls als Zitatgeberinnen zu feministischen Ehren, und auch klassisches Sloganeering können Dream Wife: „I am not my body, I am somebody“ ist eine der unbedingt T-Shirt-tauglichen Zeilen dieser Platte.

Trotz aller Widerspenstigkeit steht das Trio, das David Bowie und Madonna als Fixsterne benennt, der fröhlichen Fuck-it-Attitüde der jungen Frau Ciccone näher als der Aggressivität von Bikini Kill. Denn was Dream Wife von vielen Krachsisters und -brothers unterscheidet, ist ihre unverhohlene Liebe zu Pop und Kitsch. Das Trio hat weder Scheu vor Disco-Ambitionen, noch vor dem allzu Offensichtlichen – vor dem großen Refrain, vor der süßen Liebeserklärung („Let’s be kids and fall in love“), vor dem Woo-hoo-hoo und dem Yeah-yeah-yeah. „Amuse you“ reimt sich bei Dream Wife auf „confuse you“. Ein Debüt, so wahrhaftig wie eine Schwärmerei. Und so ernstzunehmend wie ein richtig guter Witz.

Dream Wife: „s/t“ (Lucky Number/Rough Trade) Live: 9. März, Badehaus, Berlin, 14. März, Molotow, Hamburg15. März, Blue Shell, Köln