wortwechsel
: Es herrscht keine Euphorie im Land

Etwas mehr „68“ wäre vielleicht ganz gut: Die Groko-Grundrente ist eine Mogelpackung, die Pflege weiterhin ein Skandal. Und wem hilft das bedingungslose Grundeinkommen?

Gesucht: Widerständigkeit bei Grünen und der SPD. Vorbild: Rudi Dutschke Foto: dpa

Vergnügliche Lektüre

„Das Ende von 1968“, taz vom 3./4. 2. 18

Wie schön, dass mal wieder ein Artikel der Wahrheit-Redaktion es auf die Seite 2 geschafft hat! Selten hat mich in jüngster Zeit ein taz-Artikel dermaßen amüsiert.

Mit welchem Furor Peter Unfried das Ende von 1968 beschwört, das von ihm beklagte „Besserwissertum“ der 68er um Längen übertrumpfend, das ist sehr vergnüglich zu lesen. „Denken wir neu“, fordert er, „alles auf Anfang. Reset nach 40 Jahren.“ 1978: War das nicht das Gründungsjahr der taz? Auf Reset! Das Jahr, in dem Peter Unfried 14 Jahre alt wurde und, wie es den Anschein hat, vom vermeintlichen Revoluzzerleben der 68er träumte, das diese ihm so schmählich vorenthalten hatten? Auf Reset! Einfach köstlich! Mehr davon! Kajo Breuer, Saarbrücken

Schnell an die Macht

„Das Ende von 1968“, taz vom 3./4. 2. 18

Das neue grüne Spitzenduo Robert Habeck und Annalena Baerbock haben 30 Jahre nach 1968 keine politische Protestbewegung mehr bis heute erlebt. Die Probleme von heute sind die von gestern.Der Atommüll ein unsicherer Sündenfall aus den 60er Jahren und der Müllzustand der Wohlstandsgesellschaft und Rekorde des Wirtschaftswachstums. Alles kein Problem mehr für die intellektuelle grüne linke Mitte. Bei uns passen alle rein – Grün hat gelernt von Kretschmann, nur so kommt man schnell an die Macht.

Thomas Bartsch Hauschild, Hamburg

Das Kleingedruckte

„So wird die neue Groko“, taz vom 8. 2. 18

Mit der Grundrente will man punkten. Hier muss der Wähler auch das Kleingedruckte lesen. Wer soll sie bekommen? Alle, die mit ihrer Rente unter der Grundsicherung von 836 Euro liegen plus 10 Prozent = 83,60 Euro. Hört sich gut an, aber jetzt kommt das Kleingedruckte:

1. Hürde: 35 Rentenversicherungsjahre – erreichen viele nicht, da in den letzten Jahren Hartz-IV-Empfänger;

2. Hürde: Grundrente soll nach den Paragrafen der Grundsicherung erfolgen;

3. Hürde: Grundsicherung/Grundrente erst mit der Regelaltersrente 65 Jahre plus x Monate;

4. Hürde: Antragstellung mit Prüfung, ob Grundsicherungsanspruch besteht;

5. Hürde: Riester über 100 Euro pro Monat wird angerechnet;

6. Hürde: Partnereinkommen (auch Rente) wird mit berechnet, zum Beispiel eigene Rente 650 Euro, Partnerrente 1.150 Euro = vom Partner werden 836 Euro Grundsicherung abgezogen, Rest von 314 Euro werden dem Antragsteller zugerechnet. Damit hat dieser 650 + 314 = 964 Euro und im Ergebnis keine Grundsicherung oder gar Grundrente;

7. Hürde: weiterhin werden Einnahmen aus Pacht und Miete sowie Zinsen über 26 Euro pro Jahr angerechnet;

8. Hürde: Wer fürs Alter gespart hat, hat ein Schonvermögen von 5.000 Euro pro Person, ein Vermögen darüber hinaus wird angerechnet – zum Beispiel Antragsteller bekäme eine Grundrente von 919,60 Euro und hatte eine Rente zuvor von 650 Euro, die Aufstockung beträgt 269,60 Euro. Aber er hat ein Vermögen von 9.200 Euro minus 5.000 Euro = 4.200 Euro. Somit bekommt er unter Anrechnung der 4.200 Euro für die nächsten 15,6 Monate keine Aufstockung (4.200/269,60). Wer jetzt noch klatscht …

Dieter Heinz, Osterweddingen

Pflege wird schlechter

„Die Pflege in Deutschland wird schrittchenweise besser“, taz vom 2. 2. 18

„Die Pflege wird nicht schrittchenweise besser“, sondern schlechter. Es ist genug Geld im Pflegesystem, nur wird dieses nicht für die HeimbewohnerInnen oder das Pflegepersonal eingesetzt. Die unterhaltsverpflichteten Angehörigen zahlen schon jetzt horrende Beträge, die Ersparnisse „auffressen“ und die Angehörigen selbst in existenzielle Not stürzen.

Die Ursachen dafür sind die „Inves­tions­kosten“, die je nach Bundesland verschieden hoch sind. Sie betragen zwischen 0 und 50 Euro täglich und sind ohne irgendeine Erstattung von den Pflegebedürftigen oder den Unterhaltsverpflichteten (EhepartnerInnen, eingetragenen Lebenspartnern, Kindern) zu tragen. Wenn diese nicht zahlen wollen oder können, springt das Sozialamt ein und holt sich das Geld zurück.

So sind für die Heimpflege monatlich 2.900 bis 4.500 Euro zu zahlen, dazu kommen noch die Kosten für die Krankenkasse, Pflegekasse, Amtsbetreuung, Kleidung, Friseur, Fußpflege. Deshalb werden nur 27 Prozent der Pflegebedürftigen in Pflegeheimen versorgt und meist von Frauen (oft im vorgeschrittenen Alter) in der häuslichen Pflege betreut.

Die MDK-Gutachten, die in den letzten Jahren zur Beurteilung von Heimen eingesetzt werden, müssen in der Regel als Volksverdummung eingeordnet werden. Es werden meist die Noten 1 bis 1,3 vergeben. Diese Noten werden auch erteilt, wenn gleichzeitig die Staatsanwaltschaft wegen ungeklärter Todesfälle ermittelt. Die Noten kommen zustande, indem beispielsweise die Note mangelhaft in der Pflege mit einem angebotenen Fahrdienst verrechnet wird oder schlechte Wundpflege mit einem gut lesbaren Speiseplan. Dieses Bewertungssystem verwendet gefälschte Dokumentationen (in denen steht, was hätte gemacht werden müssen, nicht was gemacht oder unterlassen wurde), verschleiert Qualitätsmängel ebenso wie den sich verschärfenden Fachkräftemangel.

In Braunschweig sind inzwischen 50 Prozent der Heime in privater Hand. Davon sehr viele im Besitz ausländischer Investoren. Diese führen die riesigen Gewinne in andere europäische Länder ab. Aber auch deutsche Heimbetreiber machen teilweise hohe Profite, wenn die Heime als Gewerbeimmobilien (oft mit Schmiergeld und gefälschten Gutachten) weiterverkauft werden.

Besonders viele Heime und Kliniken sind im Besitz der Aktiengesellschaft Curanum. Curanum gehört dem französischen Klinik- und Altenheimbetreiber Korian. Dieser hat Heime in Frankreich, Italien und anderen Ländern. Im Jahr 2016 hatte Korian 216 Häuser, im Jahr 2017 sind es 515. Mit Pflege wird mehr verdient als mit Drogen. Renate Wußing, Braunschweig

Das verwundert

„Gut geheuchelt, Grüne“, taz vom 1. 2. 18

In der taz zu lesen, dass die meisten Wähler harte Entscheidungen in der Flüchtlingspolitik befürworten, hat mich schon sehr verwundert. Worauf stützen Sie diese Aussage? Seit Wochen wird mit einer Umfrage des AfD-nahen Instituts Insa Stimmung gegen den Familiennachzug von Geflüchteten betrieben, obwohl in dieser Umfrage (dessen Fragestellung im Internet nicht aufzufinden ist) lediglich 44 Prozent den Familiennachzug ablehnen, also eindeutig keine Mehrheit.

Darüber hinaus gibt es eine Umfrage des Allensbach-Instituts (Fragestellung ebenfalls nicht veröffentlicht), in der die Rede davon ist, dass „55 Prozent der Bürger im anhaltenden Zuzug von Flüchtlingen ein Risiko sehen“. Daraus lässt sich ebenfalls nicht schließen, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen den Fami­lien­nachzug wäre. Demgegenüber gibt es eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen (dessen Frageformulierung frei zugänglich ist), in der sich im November 2017 eine Mehrheit von 67 Prozent für das Recht auf Familiennachzug ausgesprochen hat. Markus Schopp, Berlin

Unethische Forschung

„Wissen für die Fabrik“, taz vom 3./4. 2. 18

Brauchen wir in der Arbeitsmedizin Experimente an Menschen? Ich meine: nein. Denn die Folgen von Schadstoffbelastung in der Arbeits- oder Umwelt sind an Betroffenen oder an belasteten Arbeitnehmern zu untersuchen. Da sind zusätzliche Expositionen in Simulationskammern (wie sie seit Jahrzehnten an deutschen Universitäten stattfinden) überflüssig. Es ist unethisch, einen jungen Studenten für 1oo Euro pro Tag einem Schadstoff auszusetzen. Der jetzige Hype sollte für die Zukunft kritischer machen und Experimente in der Arbeitsmedizinforschung stärker hinterfragen oder ganz abschaffen. Gine Elsner, Frankfurt am Main