Filmdrama „Dinky Sinky“: Kontrollverlust eines Kontrollfreaks

Mareille Kleins Spielfilmdebüt „Dinky Sinky“ beobachtet sehr genau und erzählt von einem Kinderwunsch mit diversen Komplikationen.

Eine Mann und eine Frauen stehen sich schräg gegenüber und schauen sich an

Kurz vor der Trennung – Frida und Tobias Foto: Koryphäen Film

Was, wenn man ein Kind bekommen will, aber keines bekommen kann? Frida (Katrin Röver) ist 36, arbeitet als Sportlehrerin und wohnt mit ihrem Freund Tobias (Till Firit) in einer aufgeräumten, mittelgroßen Wohnung mit Garten. Sie ist in der Phase ihres Lebens, in der sich alle um sie herum setteln. Ihre Freunde haben einen guten Job, Häuser am Stadtrand, sie bekommen das erste, zweite, dritte Kind. Frida wird zu Kindergeburtstagen, Taufen und Dinnerpartys ohne Alkohol eingeladen, sie sagt „Oh“ und „Ah“, weil wieder jemand schwanger ist.

Dabei würde Frida auch gern. Seit zwei Jahren versucht das Paar schwanger zu werden. Frida notiert ihren Eisprung inzwischen im Kalender, und es gibt Sex auf Zuruf. Eine Situation, wie sie etwa jedes siebte Paar in Deutschland durchlebt: Es kann ohne Hilfe kein Kind bekommen. 2015 gab es 20.949 Geburten nach künstlicher Befruchtung – mit einem oft langen, teuren und nervenaufreibenden Vorlauf. Auch Frida bereitet sich darauf vor und will einen Termin in einer Klinik machen, doch ihr Freund zieht nicht länger mit.

Die Spannungen zwischen der ständig kontrollierenden Frida und Tobias gibt die Regisseurin Mareille Klein in ihrem Film „Dinky Sinky“ von Anfang an mit unbeholfenen Gesten und fordernden Dialogen wieder: Tobias schenkt Frida etwa einen Hamster zur Ablenkung, und nach einem missglückten Heiratsantrag will er endgültig „nicht mehr ihr Zuchthengst“ sein und geht.

Über diese Männerfigur oder über Beziehungen könnte man jetzt vieles schreiben – aber bleiben wir bei Frida. So hat der Film nach kurzer Zeit ein Setting der anscheinend zu viel wollenden sogenannten Generation-Y-Mittdreißigerin etabliert. Da ist ständig ihre große Sehnsucht nach geordneten Strukturen: Mutter, Vater, Kind, Job, Haus, Ehe – doch „Dinky Sinky“ zeigt sehr eindringlich, wie dieser Traum vom „Normalen“ nicht wahr wird.

Für Frida geht nun erst mal alles schief: Die Mutter lernt übers Internet einen übergriffigen neuen Freund im Karohemd kennen. Ihre SchülerInnen mobben sie auf Instagram. Sie muss aus ihrer Wohnung. Das hat man so oder ähnlich schon im deutschen Film gesehen, wird aber mithilfe kleiner Kniffe zu etwas schönem Eigenem.

Bestandsaufnahme einer unsicheren Generation

So wird Fridas Leben in leicht wackelnden, quasi dokumentarischen, hellen Bildern eingefangen. Mareille Klein versteht es, dessen verschiedene Facetten vom Freund im Karohemd bis zur Wohnungsaufgabe nach und nach episodenhaft einzufangen. Das verleiht Fridas alltäglichem Chaos etwas Ruhe über die Form und passt zu den bisherigen Arbeiten der Regisseurin, die nach Dokumentar- und Kurzfilmen mit „Dinky Sinky“ ihren ersten langen Spielfilm dreht.

Die nüchtern protokollierenden Bilder einerseits und Fridas Kinderwunsch andererseits sind die Konstanten in diesem Film. Wobei auch der Wunsch manchmal wie ein Häkchen wirkt, das Frida hinter ihrer Lebensplanung machen möchte – da fragt man sich: Geht es ihr hier jetzt wirklich darum, Mutter zu werden, oder ist das nur eine Flucht vor ihren Problemen?

„Dinky Sinky“. Regie: Mareille Klein. Mit Katrin Röver, Till Firit u. a. Deutschland 2016, 94 Min.

In anderen Momenten erscheint er ernst gemeint und glaubhaft: Dann hält Frida zum Beispiel das Kind einer Freundin lächelnd auf dem Arm und es fällt diese Angespanntheit ab, die Schauspielerin Katrin Röver ihrer Figur sonst verleiht. Oder Frida verteidigt ihr Vorhaben, auch ohne Mann ein Kind zu bekommen, vor der Generation ihrer Mutter:

Frida sagt: „Ich überlege, zu einer Samenbank in Holland zu gehen […]. Um mit Hilfe eines anonymen Spenders ein Kind zu bekommen.“

[…]

Mutter: „Dann hast du ein fremdes Kind im Bauch. […] Geh doch mal aus und triff dich mit Männern.“

[…]

Frida: „Ich wollte dich nicht nach deiner Meinung fragen.“

Man wünscht sich mehr solcher selbstbestimmten Momente, und dass ihr Wunsch, der ja der Ausgangspunkt der Films ist, zu etwas führt. Dass Frida sich irgendwie findet, entscheidet, handelt. Doch dieses „Happy End“ verweigert einem der Film bewusst: Fridas Mutter gibt ihr das Geld für die Samenbank nicht. Frida versucht es trotzdem und scheitert schon auf der Zugfahrt nach Holland.

Der Film ist ein ständiges Hin und Her, ein ständiges Scheitern. Die Bestandsaufnahme einer unsicheren Generation vielleicht – bei der nicht mehr alles so gradlinig läuft oder laufen muss. So vieldeutig wie das englische Wort „dinky“, das im Deutschen „schäbig“, „niedlich“, „uninteressant“ und „reizend“ bedeutet – oder ein Akronym ist für ­„double income no kids yet“.

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