In der Nische

Rakete-Ulysses produzieren in Hamburg Animationsfilme, die in Südkorea oder der Türkei Kassenschlager sind. Dem Feuilleton ist dieser Erfolg ganz egal

Arbeiten Tür an Tür: Die Schwestern Emely Christians (links) und Jana Bohl Foto: privat

Von Wilfried Hippen

In einem Bürohaus in Hamburg-Altona entstehen Animationsfilme, die Kinder auf der ganzen Welt kennen. Und manchmal sind die Erfolge überraschend. So war die Weihnachtsgeschichte „Niko – ein Rentier hebt ab“ ausgerechnet in der Türkei ein Kassenschlager und die Kinder in Südkorea liebten „Thor – ein hammermäßiges Abenteuer“. Hinter diesem Erfolg stehen zwei Schwestern.

Das Studio-Rakete und die Ulysses-Filmproduktion liegen nur ein paar Schritte voneinander entfernt auf einer Etage. Die beiden Töchter des Filmproduzenten Ralph Christians, Emely Christians und Jana Bohl, arbeiten mit ihren beiden Firmen gemeinsam an den wichtigsten Projekten, an Niko und Thor zum Beispiel. Betriebswirtin Emely Christians ist eher für die kaufmännische Seite verantwortlich, Jana Bohl für die Produktionsleitung. Bohl interessiert sich für Animationsfilme, seit sie ein Praktikum bei Michael Schack machte, der in den 90er-Jahren mit den „Werner“-Verfilmungen Erfolge feierte. Selbst gezeichnet oder entworfen hat sie nie.

2005 gründeten die Schwestern Rakete-Ulysses und bisher haben sie zehn lange Animationsfilme für acht- bis Zwölfjährige produziert, nebenbei auch ein paar kurze Filme – etwa für die Sesamstraße und Werbe­clips für Süßigkeiten. Aber am wichtigsten sind ihnen die langen Filme, an denen sie jeweils rund fünf Jahre arbeiten.

Vom Feuilleton verschmäht

Der erste war „Niko – Ein Rentier hebt ab“, der 2008 in die Kinos kam und den allein in Deutschland 800.000 Leute sehen wollen. Alle Jahre wieder läuft er im Fernsehen und die DVDs verkaufen sich auch seit Jahren gut, weil immer ein neues Publikum heranwächst. Solche Filme haben ein Budget von sieben bis neun Millionen Euro, da ist ein Flop kaum zu verkraften. Der erste Niko-Film war erfolgreich und die Schwestern konnten weitermachen. Die Filme bleiben aber Nischenprodukte, die in den Feuilletons so gut wie nie besprochen werden.

Bis zu 300 Menschen arbeiten an einem Animationsfilm mit. Damit eine Figur wie Niko sich zwölf Sekunden bewegt, muss ein Animator eine Woche arbeiten. Trotzdem lässt Rakete-Ulysses, wie viele andere Studios, keine Teile ihrer Animationsfilme im günstigen Asien produzieren, sondern arbeitet bei einigen Projekten eng mit Studios in Luxemburg zusammen, weil es dort Fördergeldern gibt.

Die Arbeit an einem Animationsfilm beginnt mit einem Drehbuch, das sich kaum von einem Script für einen Realfilm unterscheidet. Vom Art Director wird dann die Welt entworfen, in der die Geschichte spielt. Hier werden also erste Entscheidungen über den Stil und das Aussehen des Films getroffen. Das Storyboard bricht die Geschichten von Niko und Thor dann in einzelne Sequenzen auf und es geht an die ersten groben Animationen. Noch haben die Figuren keine Charaktereigenschaften und werden erst mal nur im dreidimensionalen Raum herum geschoben. Erst später wird festgelegt, wie sie sich bewegen und welche Kleidung sie tragen und Schauspieler sprechen die Dialoge ein – auf Englisch, denn die englische Fassung lässt sich international besser vermarkten. Auch eine erste Fassung der Filmmusik ist ziemlich früh in der Animationsphase fertig, damit deren Stimmung und Rhythmus in die Bewegungen der Figuren mit einfließen können.

Die Bewegungen in den einzelnen Sequenzen werden zunächst mit grauen, noch groben Figuren animiert, und erst in einer späteren Phase, die Rendering genannt wird, bekommen sie Texturen, Farben, Haare und Kleidung. Beim Composing gibt es den letzten Schliff: Details kommen hinzu, die Farben strahlen und man sieht zum Beispiel das Glänzen in den Augen der Figuren.

Aliens zu Besuch

Rakete-Ulysses hat gerade einen neuen Film fertiggestellt: „Luis und die Aliens“ ist ein Film über einen Teenager, der mit einer ganzen Gruppe chaotischer Außerirdischer befreundet ist, die die Erde besuchen, weil sie in ihrem Raumschiff die Fernseh-Verkaufskanäle empfangen haben und unbedingt all den dort vorgestellten Ramsch haben wollen. Die Regie haben die Hamburger Brüder Christoph und Wolfgang Lauenstein geführt, die 1990 einen Oscar für ihren animierten Kurzfilm „Balance“ bekamen. Der Film kommt am 24. Mai in die deutschen Kinos.