die kleine wortkunde

Das Versandhaus Quelle geht unter. Für die Kunden bedeutet das, es ist „Schnäppchen“-Zeit. Warum eigentlich?

Der Ursprung des Wortes „Schnäppchen“ rückt den Konsumenten ins Tierreich. Der Begriff leitet sich ab von „schnappen“. Vergleiche: Der Tiger schnappt sich eine Gazelle. Ganz so martialisch möchte sich der Kunde nicht wahrgenommen wissen, so dass er das Wort kurzerhand verniedlicht, in dem er ein „chen“ dranhängt. Das Räuberische kommt sozusagen auf leisen Sohlen daher.

So oft wir den Begriff im Zusammenhang mit der Quelle-Insolvenz bemühen, so falsch ist er doch: Er suggeriert, die Beute, in dem Fall der Lagerbestand, wäre etwas, das in Bewegung ist, das es nur für sehr kurze Zeit zu haben gibt. Nur sieht es in der Realität doch anders aus: Die Quelle-Beute liegt dick und fett da, in Hallen, so groß wie Fußballfelder, bereit, von der Kundschaft genüsslich zerlegt oder besser: bestellt zu werden. Der Konzern macht auch keinen zeitlichen Druck, das Sezieren der Wirtschaftsleiche Quelle wird Wochen, vielleicht Monate dauern. Keine Spur also von schnellem Schnappen.

Ganz sinnlos ist die Tieranalogie aber nicht: Folgt man der Schnäppchen-Logik, rechtfertigt sie nämlich die billigeren Preise. Der Begriff nimmt dem Kunden ein wenig von seinem schlechten Gewissen, schließlich hat es ihn Mühen gekostet, schlau zu sein und schnell zuzugreifen – das darf sich auch auszahlen.

Ein Vorschlag, das Bild ein wenig gerade zu rücken, wäre, die Kunden unmittelbar auf die Vorräte loszulassen. In Leipzig, dem größten Lager des Unternehmens, fänden sie Regale, die über 30 Meter hoch sind. Mit Leitern und Sicherungsseilen ausgestattet kämen sie dann dem näher, was sie doch angeblich sind: auf einer Jagd nach Schnäppchen.

SASCHA CHAIMOWICZ