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: Regierung im Urlaubsparadies Malediven verfolgt rebellische Richter

Sie sind hierzulande vor allem bekannt als Taucherparadies und als vom Klimawandel bedrohter Inselstaat: die Malediven. Jetzt ist das südasiatische Land mit seinen rund 400.000 Einwohnern, 1.192 Inseln und 26 Atollen Schauplatz eines zunehmend heißen Machtkampfes. In der Hauptstadt Male herrscht seit Montag Ausnahmezustand, und am Dienstag hat Staatschef Abdulla Yameen den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes festnehmen lassen, außerdem einen weiteren Richter und einen prominenten Oppositionspolitiker.

Was die jüngste politische Krise in Male ausgelöst hat, war zunächst eine unerwartete Rebellion von Richtern des Obersten Gerichtshofes gegenüber dem seit 2013 autokratisch regierenden Präsidenten Yameen in der vergangenen Woche: Die Juristen hatten die Urteile gegen neun Oppositionspolitiker kassiert, von denen acht derzeit im Gefängnis sitzen und einer – der frühere Präsident Mohamed Nasheed – im Exil lebt.

Damit hätten die Oppositionellen von Rechts wegen aus der Haft freikommen müssen. Gegen Exstaatschef Nasheed hätte ein neues Verfahren eingeleitet werden müssen. Darüber hinaus hatten die Richter auch noch entschieden, dass zwölf abtrünnige Abgeordnete der Partei Yameens wieder ihre Mandate erhalten sollten. Die Folge für Präsident Yameen: Seine eigene Partei wäre im Parlament gegenüber der Opposition in die Minderheit geraten – und er hätte seine Macht eingebüßt.

Als der Richterspruch vom Donnerstag bekannt wurde, war es in der Hauptstadt Malé zu Freudendemonstrationen gekommen. Diese wandelten sich bald in Proteste gegen die Regierung. Polizeikräfte setzten Tränengas und Pfefferspray gegen Demonstranten ein. Der Polizeichef wurde abgesetzt, als er der Aufforderung des Gerichts folgen und die Häftlinge freisetzen wollte. Der am Montag verhängte und auf 15 Tage angesetzte Ausnahmezustand gibt Präsident Yameen nun Sondervollmachten zu Verhaftungen, Hausdurchsuchungen und Einschränkung der Versammlungsfreiheit.

Für die Bewohner der Malediven ist dies nur die jüngste der politischen Krisen, die das Land seit vielen Jahren immer wieder erschüttern. Bis 2008 hatte der jetzt verhaftete Halbbruder des Präsidenten, Maumoon Abdul Gayoom, drei Jahrzehnte lang diktatorisch geherrscht. Bei den ersten freieren Präsidentschaftswahlen 2008 war der heute im Exil lebende Menschenrechtler Nasheed ins Amt gekommen. Nach einem umstrittenen Gerichtsverfahren wurde er wegen Verstoßes gegen das Antiterrorismusgesetz zu 13 Jahren Haft verurteilt. Er lebt seit 2016 im britischen Exil.

Besorgte Reaktionen aus dem Ausland kamen jetzt unter anderem aus Deutschland. Das Auswärtige Amt rief die Regierung in Male am Dienstag unter anderem dazu auf, „den Ausnahmezustand aufzuheben, die Anordnung des Obersten Gerichts zu respektieren“ und „die Rechtsstaatlichkeit und demokratische Errungenschaften zu wahren“. Jutta Lietsch