CDU, Freundin der Bauern?

Wahlcheck: Landwirte wählen traditionell schwarz, mit Ausnahme der Ökobauern, deren Schutzheilige eine Grüne ist. Doch für Bernd Voß, Bauer und Grüner, verlaufen die Linien nicht so klar

Interview: Thomas Brunotte

taz: Die CDU verkündet, im Agrarbereich Bürokratieabbau und mehr unternehmerische Freiheit durchsetzen zu wollen. Bekommt sie damit die Landwirte hinter sich?

Bernd Voß: Das sind beliebte Schlagworte. Für kleine Höfe ist der Verwaltungsaufwand in der Tat sehr hoch – und damit auch ein finanzielles Problem. Aber wir wollen doch erst mal sehen, ob wir wirklich brauchbare Vorschläge von der CDU bekommen. Grundsätzlich ist Bürokratieabbau sinnvoll und notwendig.

Aber ist das überhaupt in Ihrem Sinne? Schließlich will die CDU nur noch EU-Vorschriften gelten lassen und deutsche Sonderverordnungen für ökologischen Landbau abschaffen.

Man misst hier mit zweierlei Maß, je nach dem, welchen Interessen man gerecht werden will. Auf der einen Seite will die CDU EU-Vorschriften eins zu eins umsetzen. Beim Streit um die Vogelgrippe galt dieser Grundsatz aber nicht mehr. Frau Künast folgte dem Vorschlag der EU, nicht alle Hühner sofort einzusperren. Die CDU forderte, man hätte da weiter gehen müssen.

Sehen Sie sich als Milchbauer als „staatlich subventionierten Landpfleger“?

Die Milch hat den Steuerzahler bisher nicht besonders viel Geld gekostet. Die Masse der EU-Gelder ist seit 1992 in den Getreidebereich gegangen, in extensive Erzeugungen mit wenig Arbeitsplätzen. In Deutschland stecken aber über 50 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeitsplätze in der Milchwirtschaft.

Ihre Parteifreundin, die Grüne Verbraucherschutz-Ministerin Renate Künast, hat einer Erhöhung der Milchquote ab 2006 zugestimmt. Das bedeutet Überproduktion und weiterhin sinkende Milchpreise. Ist das ein Problem für Sie?

Ja. Aber es handelt sich um eine auf 2006 verschobene Erhöhung, die schon für 2004 vorgesehen war. Damals haben wir das noch als ein gutes Signal gesehen. Die Hoffnung, die stete Herabsenkung des Milchpreises könne damit eingedämmt werden, hat sich leider nicht erfüllt.

Der britische Premier Tony Blair will die europäischen Agrarsubventionen kürzen, die mit 50 Milliarden Euro fast die Hälfte des EU-Gesamthaushalts ausmachen. Sollte sich die neu gewählte Bundesregierung Blairs Vorstoß anschließen?

Blair hat ein wichtiges Thema angeschoben. Richtig ist, dass Agrargeld in Europa in die falschen Kanäle kommt. Die meisten Subventionen bekommen riesige Betriebe mit wenig Arbeitsplätzen. In Zahlen: 1,5 Prozent der Betriebe erhalten 40 Prozent der Geldmittel. Blair war allerdings auch gegen eine Bindung der Mittel an Arbeitskräfte. Das finde ich falsch. Geld muss in die Betriebe fließen, die möglichst viele Arbeitsplätze sichern. Ich finde es sehr gut, dass die CDU in ihr Programm aufgenommen hat, weggefallene EU-Subventionen durch nationale Zuschüsse aufzufangen. Das würde in Deutschland und den anderen europäischen Ländern die Debatte um die Verwendung der Mittel neu anfachen.

Arbeitsplätze, meint die CDU, könnten in einem Hochtechnologieland wie Deutschland auch durch Gentechnik entstehen. Was halten Sie davon?

Gentechnik ist nicht Hochtechnologie. Bei so genannter grüner Gentechnik, etwa Pflanzen- oder Bakterienzucht, kommen wir mit klassischen Methoden aus. Gentechnik bedeutet aber auch Rationalisierungstechnik und damit Abbau von Arbeitsplätzen. Außerdem ist es für europäische Agrarerzeugnisse ein Wettbewerbsvorteil, wenn sie gentechnikfrei angebaut sind. Gentechnikfreiheit ist ein Qualitätslabel.

Qualität ist das eine Kriterium. Müsste man nicht auch auf niedrige Preise setzen, um nicht nur die wenigen Biokäufer mit dem nötigen Kleingeld zu erreichen, sondern auch die Masse?

Den Wettbewerb um niedrige Preise haben wir ohnehin schon verloren, da können wir in Europa nicht mithalten. Nur durch Subventionen können wir den Preis senken, damit schaden wir aber nicht nur dem Weltmarkt, sondern auch uns selbst. Die Antwort ist klar: Wir sollten weiter auf Qualität setzen. Europäische Milcherzeugnisse sind beispielsweise weltweit für Ihre Qualität gefragt, da haben wir gute Chancen.

Nach der Bundestagswahl werden die Ressorts neu verteilt, brauchen wir da noch ein Landwirtschaftsministerium?

Momentan haben wir ein Ministerium für Landwirtschaft und für Verbraucherschutz und Ernährung. Die Zusammenlegung mit einem Umweltministerium wäre nicht klug, die Interessenskonflikte sind da zu massiv. Wenn wir die Qualität der Nahrungsmittel sichern wollen, Entbürokratisierung schaffen wollen und daran denken, dass wir sehr viele kleine Höfe und eine breite Vielfalt in der Produktion haben, in der auch viele Arbeitsplätze stecken, dann brauchen wir auch weiterhin ein Landwirtschaftsministerium. Darüber hinaus steht der ländliche Raum auch für die Erholung. Ein Ministerium, das die Gesamtfragen des ländlichen Raums und der landwirtschaftlichen Entwicklung betrachtet, ist daher wichtig.