Wachsame Pädagogen

Der frühere Recyclinghof Bullerdeich 6 soll eine Einrichtung für Problem-Jungs werden. Die Linke kritisiert die geplante Einbindung des Wachdienstes in den pädagogischen Alltag

Früher Recyclinghof, jetzt Clearingstelle: Bullerdeich 6 Foto: Kaija Kutter

Von Kaija Kutter

Die Sozialbehörde und ihr Landesbetrieb Erziehung (LEB) wollen offenbar ernst machen mit dem Plan, auf dem früheren Recyclinghof der Stadtreinigung am Bullerdeich eine „Clearingstelle“ für problematische Jungen einzurichten. Wie die taz berichtete, hatte die Behörde im vorigen Herbst die Bezirksgremien in Mitte darüber informiert. Da nun von dort keine Stellungnahme kam, gehe man davon aus, „dass keine wesentlichen Bedenken gegen das Vorhaben bestehen“, schreibt der Senat in der Antwort auf eine Anfrage der Linken.

Doch Bedenken auf politischer Ebene gibt es sehr wohl. „Ich habe viele offene Fragen und fordere die Befassung des Familienausschusses“, sagt die Jugendpolitikerin Sabine Boeddinghaus (Linke). Denn ihre Fragen nach dem Konzept beantwortete der Senat mit der ausweichenden Auskunft, die Planungen seien nicht fertig.

Der Bullerdeich 6 war ein Recyclinghof der Stadtreinigung. Von März 2015 bis April 2017 betrieb der LEB dort eine „Clearingsstelle“ für minderjährige Flüchtlinge, die in anderen Wohngruppen nicht zu halten waren. Das Konzept war recht harsch: Am Eingang stand Security, ins Haupthaus durfte nur, wer sich an die Regeln hielt. Ansonsten gab es Essen und Schlafen im Container.

Der Erfolg dieses Angebots sei „ernüchternd“, kritisiert Boeddinghaus. Wie ihre Anfrage ergab, landeten von 89 Jugendlichen, die dort waren, 15 in Haft, und 52 Klienten verschwanden mit unbekanntem Ziel. Nur 22 Jugendlichen und damit etwa jedem Vierten gelang ein Übergang in reguläre Betreuung.

Sehr viel erfolgreicher arbeitet eine andere „Clearingstelle“ des LEB an der Kollaustraße, die sich auf psychisch belastete junge Flüchtlinge einstellt und mit Ärzten der Uniklinik Eppendorf kooperiert. Die Erfolgsquote hier liegt bei nahe 90 Prozent, während es beim Bullerdeich nur magere 25 Prozent sind.

Doch die Sozialbehörde hält an dem Ansatz für den Bullerdeich fest. Die Zielgruppe seien ältere Jugendliche von 16, 17 Jahren, die jede Hilfe ablehnten, Regeln missachteten „und das alltägliche Zusammenleben in anderen Einrichtungen des Kinder- und Jugendnotdienstes erheblich stören“, sagt Sprecher Marcus Schweitzer. Aktuell geht es dort um zwei Jungen.

„Ich habe viele offene Fragen“

Sabine Boeddinghaus, Linke

Das Novum am Bullerdeich wäre die Einbindung eines Wachdienstes in den Alltag einer pädagogischen Einrichtung. Die gilt seit Schließung des umstrittenen Heims in der Feuerbergstraße, wo die Wachleute teils pädagogische Aufgaben übernommen hatten, eigentlich als Tabu.

Doch wie die Linken-Anfrage jetzt ergab, ist dies in einer dritten „Clearingstelle“ des LEB, der „Zweiten Chance“ an der Hammer Straße, längst etabliert. Hier ist schon in der Konzeption die enge Zusammenarbeit mit der Polizei verankert und das Sicherheitspersonal sogar Teil des „multiprofessionellen Teams“. Der Sicherheitsdienst soll die Pädagogen auch beim „Durchsetzen der Hausordnung“ unterstützen.

„Da stellen sich Fragen, was das heißt“, sagt Boeddinghaus. „Ich zweifle, ob der Begriff Clearingstelle überhaupt richtig ist, oder ob damit nicht etwas verschleiert wird.“ Clearingstellen sollten eigentlich hilfeorientiert erarbeiten, welche Bedarfe ein Jugendlicher hat. „Aber nach Bullerdeich kam für viele nichts mehr.“