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: Krieg ist Frieden

Mit einem Leitfaden für Medien und Drohungen gegen Demonstranten versucht die türkische Regierung, Kritik an der Afrin-Offensive zu unterbinden

Eine Demonstrantin gegen den Krieg wird am 21. Januar in Istanbul festgenommen Foto: Umit Bektas/reuters

Von Elisabeth Kimmerle

Während die türkische Armee mit Panzern in die kurdische Enklave Afrin im Nordwesten Syriens vorrückt, versucht die Regierung in Ankara, das Narrativ über den Angriff in der türkischen Öffentlichkeit zu formen. Die Regierungspartei AKP instruiert Medieneigentümer, wie sie über die „Operation Olivenzweig“ zu berichten haben, und versucht Proteste der Zivilbevölkerung zu unterbinden. Damit will die Regierung Kritik an der Offensive verhindern und die Deutungshoheit über die Militärintervention erlangen.

Der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım stellte am Sonntag auf einer Pressekonferenz in Istanbul eine 15-Punkte-Liste als Leitfaden für die Berichterstattung vor. „Wir sind ein demokratisches Land und verschiedene Stimmen sind möglich“, stellte Yıldırım voran. Doch während die Augen der Weltöffentlichkeit auf die Türkei gerichtet seien, sei es wichtig, zusammenzustehen.

In dem 15-Punkte-Plan über die „Operation Olivenzweig“ hält die türkische Regierung Journalisten an zu betonen, dass „die Militäroffensive allein gegen Terrororganisationen“ gerichtet sei und dass das Militär darauf achte, Zivilisten bei den Angriffen zu schützen. Außerdem wird in dem Papier zur Vorsicht gemahnt bei gegen die Türkei gerichteten Berichten von ausländischen Nachrichtenquellen.

„Von der PKK und ihrem politischen Arm“ – gemeint ist hier die prokurdische Partei HDP – geplante Proteste gegen die Militäroffensive seien nicht in den Vordergrund zu stellen, heißt es in dem Papier. Die Türkei sieht die Kurdenmiliz YPG, die von den USA unterstützt wird, als syrischen Ableger der in der Türkei als Terrororganisation verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.

Wer sich gegen den Krieg ausspricht, wird als Terrorist bezeichnet

Damit ist klar: Die Berichterstattung über kritische Reaktionen aus dem Ausland soll verhindert werden. Alle Oppositionsparteien außer der HDP unterstützen die Militäroffensive. Wer sich gegen den Krieg ausspricht, wird als Terrorist bezeichnet und hat mit Hausdurchsuchung und Festnahme zu rechnen. Dass die AKP immer wieder die nationale Einheit beschwört und den Druck gegen Kritiker erhöht, zeigt aber auch, dass die Bevölkerung nicht geschlossen hinter dem Vorgehen der Regierung steht. Die türkische Gesellschaft ist tief gespalten, was die Offensive angeht, in den sozialen Medien protestierten zahlreiche türkische Nutzer gegen den Einmarsch in Syrien.

Am Sonntag warnte Erdoğan auf einem Parteikongress davor, gegen die Militäroperation zu demonstrieren. Wer auf die Straße gehe, werde einen hohen Preis dafür bezahlen, sagte er. „Das ist ein nationaler Kampf, wer sich gegen uns stellt, den schalten wir aus.“ Dementsprechend hart ging die Polizei am Sonntag gegen Proteste in Istanbul vor. In verschiedenen Stadtteilen blockierten nach Medienberichten Sicherheitskräfte Demonstrationen und nahmen zahlreiche Protestierende wegen „Propaganda für PKK/PYD“ fest. Wegen Kritik an der Mili­tär­offensive in den sozialen Medien sind zudem mindestens 24 Menschen wegen „Terrorpropaganda“ festgenommen worden.

Besonders viel Angst muss die türkische Regierung vor Kritik aus dem Ausland indes nicht haben: Man zeigt sich besorgt, gewiss, doch darüber hinaus bleibt es auffällig still. Die Bundesregierung vermeidet offene Kritik an der Regierung in Ankara, weil sie „kein vollständiges Lagebild“ habe und das Vorgehen „völkerrechtlich daher nicht einordnen“ könne, teilte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts am Montag mit. Zu deutschen Panzern in der türkischen Offensive schweigt sie.