Angestellt und entfremdet

Wenn die Banklehre zur längsten Vorbereitungszeit auf eine Rolle wird: Christoph Maria Herbst ist zurück als stellvertretender Abteilungsleiter „Stromberg“ (So., 22.10 Uhr, Pro7). Dass sich die Büro-Sitcom trotz schwacher Quoten durchgesetzt hat, ist auch sein Verdienst

Christoph Maria Herbst ist nicht Stromberg. Er hat dieselben braunen Augen, ja. Aber Christoph Maria Herbst ist Schauspieler. Beim Treffen in einer Berliner Hotellobby trinkt er Mineralwasser. Und hinterher möchte man erst mal was zu „Stromberg“, die Pro7-Serie, loswerden, deren zweite Staffel am Sonntag startet und in der Herbst die Titelrolle spielt, bevor man auf den Stromberg-Darsteller Herbst zu sprechen kommt.

Schließlich hatte die Büro-Serie, („inspiriert“ von der BBC-Serie „The Office“, wie nun in der zweiten Staffel ausdrücklich im Nachspann heißt), in der ersten Staffel vergleichsweise wenig Zuschauer. Was schade ist. Oder, neutraler formuliert, so bemerkenswert wie die Tatsache, dass es trotzdem eine zweite Staffel gibt. Denn als deutsche TV-Produktion ist „Stromberg“ eine Ausnahme. Angesiedelt in irgendeiner gottverdammten Versicherungsklitsche ist aus der Serie keine populistisch-hämische Parodie auf den bundesdeutschen Büroalltag wie „Das Amt“ oder „Salto Postale“ geworden, sondern eine filigrane Demontage spätkapitalistischer Arbeitsweltstrukturen: Entfremdung am Arbeitsplatz als Unterhaltungsserie auf Pro7 eben. Und wenn beispielsweise irgendwann in der ersten Folge der zweiten Staffel Christoph Maria Herbst als unsympathischer stellvertretender Abteilungsleiter eine bemüht energische Geste macht, ihm dabei aber ganz beiläufig dieser doofe Metallverschluss seiner doofen Armbanduhr aufspringt, dann ist so was schon eine Pointe, die man – wenn man’s mag – gern ganz, ganz großartig findet!

Fragt man aber Herbst danach, sagt er bescheiden: „Nee, das war nicht geplant. So was entsteht dann einfach in der Improvisation.“ Außerdem sagt Herbst häufiger: „Nee, jetzt mal ohne Scheiß.“ Oder nach einem kurzen Nachdenken: „Ich fänd’s viel toller, wenn ich jetzt was ganz anderes geantwortet hätte, aber so einer bin ich nicht.“ Aber was für einer ist er dann?

1966 geboren, in Wuppertal gemeinsam mit zwei älteren Schwestern in einem katholischen Beamtenhaushalt groß geworden, wollte Herbst lange Zeit Priester werden, machte dann aber eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank. In der Rückschau hält Herbst die Banklehre mit Blick auf seinen Stromberg zwar für „die vielleicht längste Vorbereitung auf eine Rolle, die es je gab“. Doch, dass aus diesem Herbst ein TV-Komödiant werden sollte, dem von RTL auch schon mal eine Konkurrenzshow zur „Anke Late Night“ auf Sat.1 angeboten wurde, erscheint zunächst abwegig.

Ist es aber nicht – jedenfalls nicht für Herbst. Einerseits, weil der Priesterberuf „auch was Theatralisches“ und der Beruf des Bankangestellten „eine gute Gelegenheit für Charakterstudien“ biete. Andererseits hatte Herbst bereits während der Schulzeit in der Theater AG mitgemacht und neben seiner Bankausbildung sogar eine kleine Wuppertaler Bühne, das TiC, mitgegründet. Und wenn Herbst dann ausführlich und gern die Anekdote erzählt, wie ihn der Wuppertaler Chef der Deutschen Bank eines Tages aus einer Zweigstelle „wie einen Hofnarren“ in sein Büro bestellt habe, damit er dort vor anderen Abteilungsleitern eine ulkige Szene aus eine TiC-Stück vorspielen sollte und das auch tat, dann ist das für ihn „komplett absurd“ – aber offenbar auch nicht unwichtig. Abgelehnt von deutschen Schauspielschulen hatte er zunächst an Theatern in Duisburg und in Bremerhaven gespielt. Irgendwann war er dann Anke Engelkes Sketchpartner in „Ladykracher“, schließlich Titel-„Held“ in „Stromberg“.

Herbst hat gelernt, auf wiederkehrende Fragen wiederkehrende Antworten zu geben. Oder Zwischenfragen, die er nicht beantworten möchte, nicht zu beantworten. Herbst ist kein Pointenmann, kein Showmaker, eher am Anfang von etwas. Zu Beginn der ersten „Stromberg“-Staffel wurde er trotzdem schon mit dem Monty-Python-Mann John Cleese verglichen – auch wenn Herbsts Stromberg vielleicht doch eher Eric Idles französischer Kellner in „The Meaning of Life“ gleicht. Aber egal: „Mein Beruf ist es, eine Rolle zu spielen,“ sagt Herbst, „ich kann nix anderes.“ Muss er ja auch nicht.

CHRISTOPH SCHULTHEIS