Stiftungsförderung der AfD: Millionen für einen Thinktank

Der Vorstand muss entscheiden, wen die AfD an sich binden will. Zu möglichen Gönnern soll auch die Neurechte „Ein Prozent“ gehören.

Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland

AfD-Parteichef Alexander Gauland präferiert Gustav-Stresemann-Stiftung als Name Foto: dpa

BERLIN taz | Die Adresse klingt repräsentativ: Unter den Linden 10, 3. Etage, Kaisersaal. Ganz in der Nähe des Brandenburger Tors hat die Gustav-Stresemann-Stiftung am Donnerstagabend zum Kamingespräch über Oswald Spengler geladen, den Nationalisten und Antidemokraten, der schon in der Weimarer Republik den Untergang des Abendlandes beschwor.

Gesprächspartner am Kamin: Wirtschaftsprofessor Max Otte, der mit der AfD sympathisiert. Und der Bundestagsabgeordnete Marc Jongen, der gern als „Parteiphilosoph“ der AfD bezeichnet wird, weil er einst Assistent von Peter Sloterdijk war. Einlass: nur für geladene Gäste.

Dass dazu Mitglieder des AfD-Bundesvorstands gehörten, darf vermutet werden. Denn dieser will am Freitagnachmittag darüber entscheiden, wer die parteinahe Stiftung der AfD werden soll. Die Stresemann-Stiftung gilt als einer der Favoriten.

Es geht um viel Geld: Mehr als 500 Millionen Euro erhalten parteinahe Stiftungen jährlich aus Steuermitteln für Bildungsarbeit in ihrem Sinne. Außer der AfD arbeiten alle im Bundestag vertretenden Parteien mit einer Stiftung zusammen. In der Vergangenheit haben die Rechtspopulisten dies scharf kritisiert. Das Ziel, die Macht der Parteien und ihre Finanzierung einzuschränken, steht sogar in ihrem Grundsatzprogramm.

Name, Konzept und Personal sind noch umstritten

Nichtsdestotrotz will die AfD nun selbst profitieren, die Rede ist von einem hohen zweistelligen Millionenbetrag. Die AfD könnte damit Stipendien und Forschungsaufträge vergeben, Vorträge und Veranstaltungen organisieren, Auslandsvertretungen eröffnen – und weiter an ihrem rechten Netzwerk bauen. Und: Gönner könnten die Partei über die Stiftung finanziell unterstützen, ohne dass ihr Name als Spender öffentlich bekannt wird. Für all das muss eine parteinahe Stiftung her.

Welche das genau sein soll – Name, Konzept und Personal – ist in der AfD heftig umstritten. Zahlreiche Vereine haben sich in Stellung gebracht, drei allein haben sich nach dem humanistischen Gelehrten Erasmus von Rotterdam benannt.

Vor drei Jahren, damals wurde die Partei noch gemeinsam von Bernd Lucke und Frauke Petry geführt, wollte der Parteivorstand dies selbst auf einen geordneten Weg bringen. Mit seinem Segen gründete sich die Desiderus-Erasmus-Stiftung mit Sitz in Bonn, Vorsitzender wurde Konrad Adam, der ehemalige FAZ-Redakteur und AfD-Mitbegründer. Dass es ein gleichnamiges Förderprogramm der EU gibt, nahm man hin. Die Stiftung solle flügelübergreifend getragen werden und weit in das Bürgertum ausstrahlen, so die Idee.

Im vergangenen Jahr wurde Adam nach vielen Querelen, die letztlich auch eine Eintragung im Vereinsregister verhinderten, abgesetzt. Ein Teil der Mitglieder orientierte sich nach Lübeck, um die schleswig-holsteinische Landesstiftung mit dem gleichen Namen in ihrem Sinne umzubauen. Ein anderer gründete den „Johann-Gottfried-Herder-Verein für Demokratie e.V.“, der erst im November ins Vereinsregister eingetragen wurde. Neben der Stresemann-Stiftung sind es diese beiden, über die der AfD-Bundesvorstand beraten wird.

Inzwischen gibt es bei den drei Vereinen personelle Überschneidungen, die die Zuordnungen zu den Strömungen in der Partei unübersichtlich machen. Einerseits. Andererseits hat Alice Weidel, die Fraktionsvorsitzende, bereits klar gemacht, dass sie die Desiderius-Erasmus-Stiftung favorisiert, die eher dem wirtschaftsliberalen Flügel zugerechnet wird. Vorstand ist der Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer, den die AfD auch gern zum Vorsitzenden des Haushaltsausschusses im Bundestag machen will. Boehringer, ein Freund von Verschwörungstheorien, ist wie Weidel Mitglied der Hayek-Gesellschaft.

Den Namen Stresemann finden viele „sexy“

„Ich würde es begrüßen, wenn sie Gustav-Stresemann-Stiftung heißen würde“, sagt dagegen Parteichef Alexander Gauland vom rechten Flügel der Partei. Der Name erinnere an das nationalliberale Erbe Deutschlands. „Diesem Erbe sieht sich die AfD verpflichtet.“ Auch von anderen AfD-Spitzenpolitikern ist zu hören, dass der Name Stresemann für die AfD „sexy“ sei.

Doch es gibt Probleme. Nachkommen des nationalliberalen Außenministers und Reichskanzlers, der 1926 für seine Politik der Verständigung mit Frankreich den Friedensnobelpreis erhielt, gehen juristisch gegen die Verwendung des Namens durch die AfD vor. Auch das überparteiliche Gustav-Stresemann-Institut in Bonn will sich wehren.

Nachkommen des nationalliberalen Außenministers und Reichskanzlers gehen juristisch gegen die Verwendung des Namens durch die AfD vor.

Hinzu kommt die Geschichte der Stiftung, die 2011 als Verein von zwei Jenaer Rechtsanwälten gegründet wurde, deren Kanzlei die Stiftung Warentest im Jahr 2016 auf ihre „Warnliste Geldanlage“ gesetzt hat. Die beiden Anwälte gehörten damals dem Thüringer Landesvorstand der islamfeindlichen Partei „Die Freiheit“ an. Der bayerische Verfassungsschutz beobachtet die Partei.

Der langjährige Geschäftsführer der Stiftung wiederum, Felix Strüning, war Mitglied des Bundesvorstands „Der Freiheit“. Strüning betrieb das Portal „Linksextremismus.org“ und arbeitete auch mit führenden Köpfen der Neuen Rechten zusammen, unter anderem beim Vernetzungstreffen „Zwischentag“ mit dem Verleger Götz Kubitschek. Die Stiftung soll nach Informationen der Zeit unter anderem von einem neurechten Think Tank aus den USA finanziert worden sein.

Flügelübergreifendes Dreierteam eruiert Vereine

„Bei der Mitgliederversammlung der Stresemann-Stiftung am 24.11.2017 wurde ein neuer Vorstand gewählt, der aus Funktionären der AfD besteht“, heißt es auf Strünings Website. Er habe alle Tätigkeiten für die Stiftung niedergelegt. Nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung soll die neurechte Organisation „Ein Prozent“ um Kubitschek eine Finanzspritze angekündigt haben, sollte sich die Partei für Stresemann entscheiden.

Seit Wochen eruiert ein flügelübergreifendes Dreierteam aus dem Bundesvorstand die Vereine, fragt nach Vorständen und Mitgliedern, Konzepten, Rechtssicherheit und Erfahrung in Management. Am Mittwoch trafen sich die drei – Georg Pazderski, Andreas Kalbitz und Albrecht Glaser – und einigten sich auf eine Empfehlung für den Bundesvorstand. Es sei ein harmonisches Treffen gewesen, heißt es. Und: Man habe Stillschweigen vereinbart. Viel aber deutet darauf hin, dass nicht ein Verein den Zuschlag bekommen wird, sondern es ein Zusammenwirken mehrerer Bewerber geben soll.

Das war auch bei den Grünen einst der Fall. Deren Bundesstiftung erhielt erst Geld, als die Partei zum zweiten Mal in den Bundestag einzog. Denn Grundlage dafür ist eine „wiederholte Vertretung“, wie es heißt. Es könnte also sein, dass es auch bei der AfD-nahen Stiftung noch dauert, bis größere Geldsummen fließen. Egal, ob die Stiftung nun Stresemann, Erasmus oder Herder heißen wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.