Sie sind krank

Muss man sich Sorgen um diese Dortmunder machen? Der BVB lässt auch im Spiel gegen den SC Freiburg fast alles vermissen

Soll auch mitgespielt haben: Aubameyang lässt sich den Ball von Freiburgs Söyüncü klauen Foto: dpa

Aus DortmundDaniel Theweleit

Am späten Samstagabend hatte die neueste Dortmunder Selbstzermürbungsdebatte eine derart große Wucht erreicht, dass Roman Bürki sich zu einer spontanen Richtigstellung gezwungen sah. Er wolle seine „in der Emotion der Enttäuschung und mit dem entsprechenden Extrempuls getätigten Aussagen noch einmal genau erklären“, schrieb der Torhüter drei Stunden nach dem enttäuschenden 2:2 gegen den SC Freiburg auf Instagram. Statt die schwache Leistung des Teams und seine eigene unglückliche Rolle beim 40-Meter-Schuss des Freiburgers Nils Petersen zum 1:2 zu diskutieren, war Bürki auf Teile des eigenen Publikums losgegangen. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass viele Leute auf der Ost- und Westtribüne einfach denken: Jetzt gehe ich ins Stadion, schaue, wie es ist, und dann pfeife ich meine eigene Mannschaft aus“, hatte Bürki gezürnt, nachdem das Publikum mit viel Unmut auf die dürftige Leistung des einstmals so stolzen Revierklubs reagiert hatte.

Bei einer Mannschaft, „die sich ein bisschen verunsichert fühlt, ist das Pfeifen genau das falsche Mittel“, erklärte Bürki und lieferte mit diesem Auftritt ein neues Indiz für die mangelnde menschliche Reife dieser Mannschaft. Er habe nur jene Pfiffe gemeint, die schon „früh im Spiel“ zu hören waren, versuchte er seinem Vorstoß die Schärfe zu nehmen, aber es war zu spät. Der BVB hat seinen nächsten Konfliktherd, und Michael Zorc drehte die Spirale der inneren Zersetzung ein Stück weiter. „Ich finde die Aussage unpassend und inhaltlich falsch“, sagte der Sportdirektor in Richtung Bürki. „Weil, Entschuldigung, ich empfehle unseren Spielern, die heute auf dem Platz waren, sich das Spiel noch mal anzuschauen. Da müssen sie aufpassen, dass sie nicht selbst pfeifen.“

Nach der Systemdiskussion, dem Trainerwechsel, dem Aubameyang-Ärger, den Kon­troversen über die richtige Zusammensetzung des Kaders und dem immer noch nachwirkenden Frust, dass die Zusammenarbeit mit Ex-Trainer Thomas Tuchel nicht funktionierte, haben die Dortmunder nun also auch eine Publikumsdebatte am Hals. Spötter könnten nun einwerfen, dass wenigstens nicht mehr nur über Pierre-Emerick Aubameyang diskutiert wird. Natürlich hatten auch alle das lustlose Spiel des wechselwilligen Stürmers gesehen, nur die Sache mit dem Auspfeifen war in diesem Fall nicht so einfach: Aubameyang war immer nur so kurz und so selten am Ball, dass sich einfach keine Gelegenheit bot. Nicht einmal das Ausgleichstor durch Jeremy Toljan in der Nachspielzeit versöhnte die Fans.

Der BVB wirkt in diesem Januar krank, vergiftet von einem lange Prozess der inneren Zersetzung, das Ergebnis ist fatal: Auf dem Rasen stand am Samstag eine nicht nur verunsicherte, sondern auch irgendwie charakterschwache Mannschaft, in der ein neunjähriger BVB-Fan keinen Spieler mehr findet, dessen Trikot er sich mit voller Überzeugung zum Geburtstag wünschen kann. Die einen wollen weg (Aubameyang), einige sind über ihren Zenit (Sahin, Schmelzer, Kagawa, Piszczek), andere stecken in anhaltenden Formkrisen (Yarmolenko, Weigl, Schürrle), während eine große Gruppe schon lange biedere Durchschnittsleistungen liefert (Sokratis, Toprak, Götze, Bartra, Guerreiro, Pulisic). Der These, dass das Wechseltheater um Aubameyang viele dieser Spieler noch zusätzlich lähmen könnte, widersprach Stöger mit großer Entschlossenheit.

Es gebe zwar Leute, „die dieses Argument verwenden, aber da hüte ich mich davor“, sagte er. „In der Trainingsarbeit, die entscheidend ist, stelle ich nicht fest, dass die Stimmung schlecht ist.“ Allerdings ist nicht zu übersehen, dass diesem Team die Zuversicht und die Freude fehlen. In der jetzigen Konstellation sind die Selbstheilungskräfte des Klubs schwach wie seit Jahren nicht.