heute in bremen
: „Es sind Geschichten der Gegenwart“

Foto: Schomburg/flinnworks

Konradin Kunze, Jahrgang 1977, ist freier Regisseur, Autor und Performer, nachdem er bis 2009 als Darsteller zum Ensemble des Jungen Schauspielhauses Hamburg gehörte.

Interview Benno Schirrmeister

taz: Herr Kunze, wie kommen Sie zu dem Schädel-Thema?

Konradin Kunze: Das war im Rahmen einer größeren Performance, die unser Kollektiv Flinnwork mit Asedeva, einer Gruppe aus Dar-es-salam zum Maji-Maji-Krieg in Tansania gemacht hatte. Das gehörte ja zu den deutschen Kolonialgebieten. Bei den Recherchen dazu sind wir auch auf die Schädelsammlungen im hiesigen Völkerkunde-Museen aufmerksam geworden: Einige der Krieger waren als Aufständische exekutiert worden und ihre Schädel sind nach Deutschland gebracht worden – und liegen jetzt hier in den einschlägigen Depots.

Und daraus haben Sie dann eine Performance gemacht?

Wir haben gesagt: Das Thema müssen wir noch einmal gesondert aufgreifen, und daraus ist die Lecture-Performance entstanden.

Warum eine Performance?

Die ist erzählerisch: Wir wollten bewusst nicht einen abstrakten Vortrag machen, sondern orientieren uns im Wesentlichen an zwei biografischen Geschichten, einmal einer aus Tansania, einmal von deutscher Seite aus.

Erfundene Geschichten?

Nein, nur im einen Fall ganz leicht fiktionalisiert, indem ich behaupte, es wäre meine eigene – um sie näher ranzuholen.

„Schädel X“: Lecture-Performance und Diskussion, Brauhauskeller, 19 Uhr. Weiterer Termin am 21. Januar, 18 Uhr

Historisch näher ranzuholen?

Nein, es sind ja Geschichten aus der Gegenwart: Der eine Mann ist der Sohn von Missionaren, die in Namibia tätig waren und die von dort einen Schädel mitgebracht haben, sozusagen als Andenken. Er ist sich sicher, dass dieser Schädel ein Relikt des Völkermords an den Herero und Nama ist, und er versucht, den zurückzugeben. Bei der Geschichte aus Tansania geht es umgekehrt um den Enkel eines Ngoni-Kriegers, der seit 50 Jahren, fast sein ganzes Leben lang, dem Schädel seines Großvaters nachspürt. Er ist sich sicher, dass der in irgendeine Sammlung in Deutschland gelangt ist – aber in welche?

Das erinnert daran, dass diese Human Remains ihre Individualität verloren haben – und die einfache Lösung der Rückgabe verbaut ist, weil in den Museen keiner weiß, um wessen Knochen es sich handelt?

Deswegen schien es uns auch richtig, dass die Geschichten jeweils kein Happy End haben. Eine einfache Lösung gibt es vermutlich in keinem dieser Fälle. Die Gebeine zu rehumanisieren, bleibt eine Aufgabe.