Müllbranche stinkt zum Himmel

In NRW wächst die Kritik am Geschäft mit dem Dreck: Der Neubau einer Müllverbrennungsanlage in Herten könnte die Gebührenzahler Millionen Euro kosten, warnt Ex-Umweltministerin Bärbel Höhn

AUS ESSEN DAVID SCHRAVEN

Nordrhein-Westfalens nächster Müllskandal könnte noch verhindert werden: Der millionenschwere Neubau einer Müllverbrennungsanlage (MVA) in Herten stößt auf Widerstand. Besonders die Grünen warnen vor dem Geschäft einer Tochtergesellschaft des Regionalverbands Ruhrgebiet (RVR). „Hier besteht die Gefahr, dass etliche Millionen Euro zu Lasten der Bürger in den Sand gesetzt werden“, so Bärbel Höhn, Spitzenkandidatin der NRW-Grünen, zur taz.

Die Abfallgesellschaft Ruhrgebiet (AGR) plant in Herten den Bau einer MVA mit einer Jahreskapazität von 250.000 Tonnen. Verbrannt werden soll dort vor allem Gewerbemüll aus dem Ruhrgebiet. Nach Ansicht der ehemaligen nordrhein-westfälischen Umweltministerin Höhn sind die Planzahlen der AGR „Milchmädchenrechnungen“. Schon die Umschichtung von Rückstellungen habe gezeigt, dass „getrickst“ werden musste, um eine Pleite zu vermeiden: Die AGR hatte Geld, das zur dringend notwendigen Sanierung der Müllkippen im Ruhrgebiet gedacht ist, in eine Tochtergesellschaft gesteckt, um so Kapital zum Bau der MVA freizubekommen.

Eigentlich soll mit dem Geld das Grundwasser vor Verseuchung geschützt werden. Um die Genehmigung für diesen Deal zu bekommen, sei „ordentlich gekungelt“ worden, klagt Höhn. Selbst Banken seien nicht bereit, die Pläne der AGR weiter zu finanzieren – das zeige, wie unwirtschaftlich das Vorhaben sei.

Tatsächlich sickern immer neue Hiobsbotschaften aus dem AGR-Umfeld. So erklärte selbst die AGR-Geschäftsführung in einer vertraulichen Sitzung, Banken hätten Sicherheiten für Kredite abgelehnt. Dabei geht es um Müllverträge aus dem EKO-City-Verbund, der von der EU für wettbewerbswidrig erklärt worden ist. Aus internen Unterlagen der AGR geht hervor, dass so eine Deckungslücke von 37,5 Millionen Euro entsteht. Die AGR will sich zu diesen Vorgängen nicht äußern.

Bei einer Pleite der AGR müssten die Bürger die Lasten tragen. Was das bedeutet, ist schon jetzt zu sehen: Seit zwei Jahren ist die AGR nicht mehr in der Lage, 2,5 Millionen Euro Kapitalzinsen an den RVR zu bezahlen, dem die Müllfirma gehört. Jetzt geraten nicht nur die Revierparks, die das nördliche Ruhrgebiet lebenswerter machen sollen, in eine Krise – aufgrund des Geldmangels beim RVR können deren Verluste nicht mehr so einfach ausgeglichen werden.

Die Geldprobleme könnten auch Ursache dafür sein, dass der Verkauf der AGR-Anteile nicht wie geplant verläuft. Ursprünglich wollte der RVR als Eigentümer 49 Prozent an der Firma abgeben. Allerdings will zumindest ein kommunales Konsortium aus den Städten Bochum, Hagen Wuppertal und Dortmund unbedingt die Mehrheit an der AGR übernehmen, wie aus dem Umfeld der Entsorgung Dortmund GmbH bekannt wurde. Außerdem wollen die Städte zwei von drei Geschäftsführern stellen. Ein entsprechendes Angebot hätte das Konsortium am Freitag abgegeben.

Der Grund für die Städte, die Mehrheit an der AGR anzustreben, könnte ihr Misstrauen in die jetzigen AGR-Chefs sein. Nach Informationen der taz haben Banker der WestLB im Auftrag der Kommunen die AGR untersucht. Dabei hätten sie unter dem Namen „Projekt Ruhrderby“ festgestellt, dass die Liquidität der AGR nicht ausreichend sei, die Sanierung der Müllkippen zu bezahlen. Um ihren Pflichten nachzukommen, müsse die AGR deshalb unbedingt Geld mit der neuen Müllverbrennungsanlage in Herten verdienen. Das Fazit der Banker: Die MVA ist wirtschaftlich wertlos – sie verdiene nur Geld, um längst bekannte Finanzlöcher zu stopfen.