Schaufel, Sonde, Suchhund

Von der Tourvorbereitung über Alarmzeichen bis hin zum Ernstfall: Was ich als Skiwanderer wissen und beachten muss, um mich gut vor Lawinen zu schützen

Von Niklas Vogel

Wie wähle ich meine Tour aus und wie bereite ich mich auf sie vor?

Bei der Auswahl der Tour müssen die Wetterverhältnisse, das Gelände und die Erfahrung und Verfassung der Gruppenmitglieder berücksichtigt werden. Wer wenig Erfahrung mit der Einschätzung von Lawinengefahr hat, sollte auf den angelegten Pisten bleiben oder sich einer professionell geführten Tour anschließen. Jede Bergregion gibt im Radio und Fernsehen regelmäßige Lawinenbulletins heraus, in denen die einzelnen Gebiete in 5 Gefahrenstufen eingeteilt werden. Ab Stufe 3 sollte man sich nicht mehr in ungesichertes Gebiet begeben. Eine Übersicht über die regionalen Dienste ist unter avalanches.org abrufbar.

Wo informiere ich mich, welche Regionen und Gebiete besonders gefährlich sind?

Mithilfe von topografischen Karten, wie sie etwa die Alpenvereine und die Skigebiete auf Papier und im Internet herausgeben, oder von Smartphone-Apps (z. B. „White Risk“, vom Schweizer Institut für Schnee- und Lawinenforschung), lassen sich Touren von zu Hause aus planen, Gefahrenstellen identifizieren und Alternativen vorbereiten.

Was sollte ich als Ski-/SnowboardfahrerIn checken, bevor ich auf wenig befahrene Strecken gehe?

Vor Ort müssen ständig die Alarmzeichen für Lawinengefahr überprüft werden. Entstehende Risse in der Schneedecke und dumpfe Knallgeräusche, die beim Kollaps schwacher Schneedecken entstehen, deuten auf erhöhte Gefahr hin. Sind bereits kleinere Schneemengen abgegangen, besteht unmittelbare Lawinengefahr. Gefährlich sind auch Neuschnee und Schneeverwehungen an den Bergkämmen. Das Wetter spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. Auf keinen Fall sollte man sich alleine in unbefahrene Gebiete begeben. Gefährliche Abschnitte sollte man jedoch einzeln nacheinander befahren, damit die BegleiterInnen im Falle einer Lawine zu Hilfe kommen können.

Wie bekomme ich unterwegs Informationen über die Lawinengefahr?

Aktuelle Informationen sind unterwegs unter Umständen schwer zu bekommen. Die Mobilfunkverbindung ist in den Bergen oft sporadisch, gerade in abgelegenen Gebieten sind aktuelle Warnungen oft nicht abrufbar. Teilweise stehen an lawinengefährdeten Stellen Warnschilder, ihr Fehlen bedeutet jedoch nicht, dass das Gebiet sicher ist.

Welches Equipment hilft mir im Notfall?

Zur Standardausrüstung bei Ausflügen in unsichere Gebiete gehören eine Schaufel, eine Sonde – ein zusammenlegbarer Stab, mit dem man im Schnee nach Verschütteten stochern kann – und ein Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS). Das LVS muss jedes Gruppenmitglied eng am Körper tragen und während der gesamten Tour eingeschaltet lassen. Es sendet ein Signal aus, das von den anderen Geräten im Umkreis von maximal 40 Metern empfangen werden kann. So können Verschüttete auch tief im Schnee geortet werden.

Rucksackartige Lawinenairbags können dabei helfen, an der Oberfläche der Lawine zu bleiben. Atmungsgeräte (zum Beispiel „Airsafe“ oder „AvaLung“) wirken wie eine Art Schnorchel, um unter dem Schnee besser Luft zu bekommen. Ein „Lawinenball“, eine Art Luftballon in Signalfarben, bläst sich im Falle einer Lawine auf und bleibt durch sein geringes Gewicht meist auf der Oberfläche der Schneemassen liegen. Da er mit dem oder der Verschütteten durch ein Seil verbunden ist, können HelferInnen die Position schnell bestimmen. Außerdem sollte man immer ein Erste-Hilfe Set und ein Handy oder Funkgerät für Notrufe bei sich tragen.

Die Lawinenforscher Kurt Winkler und Frank Techel haben kürzlich eine Statistik zur Unfallgefahr bei Skitouren für die Schweiz vorgelegt (DAV Panorama 06/2017).

In den vergangenen zehn Jahren sind demnach jährlich im Schnitt 8,6 Menschen bei Lawinenabgängen gestorben. Im Vergleich zum vorherigen Zehnjahreszeitraum (1995 bis 2004) hat die Zahl zugenommen (6,5 Todesopfer/Jahr).

Allerdings ist das Unfallrisiko nicht gestiegen, denn zwischen 1999 und 2013 ist auch die Zahl der Tourentage von 700.000 auf 2,2 Millionen gestiegen. Vor zehn Jahren kamen 9,2; heute kommen 4,9 Tote auf eine Million Tourentage.

Winkler und Techel fanden zudem heraus, dass das Unfallrisiko für Ski- und Snowboardfahrer fünf Mal so hoch ist wie das derer, die mit Schneeschuhen unterwegs sind.

Wie verhalte ich mich, wenn ich in eine Lawine gerate?

Wenn möglich, sollte man auf den Skiern oder dem Snowboard zur Seite hin aus der Lawine herausfahren. Falls dies nicht gelingt, zuerst Ballast (Skier, Snowboard, Stöcke etc.) abwerfen, da das zusätzliche Gewicht zu einem tieferen Verschütten führt und unbeweglicher macht. Schwimmbewegungen können dabei helfen, so lange wie möglich an der Oberfläche zu bleiben. Wenn die Lawine langsamer wird, sollte man eine Hockstellung einnehmen und die Arme vor das Gesicht halten, um sich eine Atemhöhle schaffen zu können. Es kann helfen, unter Schnee in die Hose zu urinieren, wenn mit dem Einsatz von Suchhunden zu rechnen ist – Hunde riechen den Harnstoff schneller.

Wie kann ich helfen?

Die erste Viertelstunde entscheidet: Etwa 90 Prozent der lebendig Verschütteten, die innerhalb von 15 Minuten geborgen werden, überleben. Danach sinkt die Wahrscheinlichkeit rapide. Wird man Zeuge oder Zeugin eines Lawinenunfalls, sollte man den Unfallpunkt mit einem Gegenstand markieren und dann per Funk den Rettungsdienst alarmieren. Da dieser durchschnittlich etwa eine halbe Stunde für den Anfahrtsweg benötigt, muss möglichst schnell selbst mit der Ortung und Bergung begonnen werden, sofern die eigene Sicherheit nicht durch Nachlawinen gefährdet ist.

Zunächst versucht man in der Regel, mit dem LVS rasterförmig die Position des oder der Verschütteten zu bestimmen, dann die genaue Lage mit der Sonde zu ertasten. Ausgegraben wird möglichst von der Seite, Priorität hat die Freilegung der Atemorgane. Haupttodesursache bei Lawinen ist das Ersticken, erst danach kommen Verletzungen und Erfrieren. Erste Hilfe beinhaltet darum vor allem den Schutz vor Kälte (etwa mit heißen Getränken); der oder die Verschüttete sollte sich nicht aktiv bewegen. Bei Bewusstlosigkeit sollten Verschüttete in die stabile Seitenlage gebracht werden, bei Atemstillstand sollte man die Herz-Lungen-Wiederbelebung anwenden.