Harter Aufschlag

Richard Freitag verliert in Innsbruck die Tournee, weil er stürzt. Danach erhält er Unterstützung vom Bundestrainer, der auch schon anders über ihn geredet hat

Gleitflug des Sachsen: Bei der Landung von Richard Freitag am Innsbrucker Bergisel ging dann aber leider etwas schief Foto: dpa

Aus Innsbruck Klaus-Eckhard Jost

Bundestrainer Werner Schuster macht in diesen Tagen zumeist einen zufriedenen Eindruck. Die Auftritte seiner Skispringer bei der Vierschanzentournee sind gut. Markus Eisenbichler, Andreas Wellinger und Karl Geiger gehören zur erweiterten Spitze. Und an vorderster Front schlägt sich Richard Freitag wacker. Nicht so gestern in Innsbruck. Denn am Bergisel stürzte der Sachse im ersten Durchgang am regennassen Hang. Freitag hatte bei der Landung die Ski verkantet. Er stolperte praktisch über seine eigenen Latten. Trotzdem landete er noch auf Platz 22, verzichtete aber, vermutlich wegen einer Knieverletzung, auf den zweiten Durchgang. Schuster kritisierte hernach die Veranstalter des Springens: „Es war definitiv zu viel Anlauf“, erregte er sich, „schade, dass so ein großartiger Sportler jetzt nicht belohnt wird.“

Richard Freitag hätte die Tournee durchaus noch gewinnen können, wenn er dem Polen Kamil Stoch, der sich gestern erneut den Tagessieg sicherte, ein paar Punkte abgenommen hätte. Dennoch: Dass der 26-jährige Springer aus dem Erzgebirge bis dato so gut drauf war, hat viele Experten überrascht. Dass er über eine unglaubliche Begabung verfügt, war bekannt; dass er sich darauf ausruht und oft den nötigen Biss vermissen lässt, ebenfalls. Er galt als „ewiges Talent“. Vor der Tournee reagierte Bundestrainer Schuster noch unwirsch, als man ihn darauf ansprach: „Es scheint eine deutsche Krankheit zu sein, Dinge zerreden zu wollen. Seien wir doch froh, dass Ritschi so gut springt.“ Dem Trainer aus Österreich war wohl selbst nicht klar, dass ihm Richard Freitag nach dem zweiten Kreuzbandriss von Severin Freund so einen erfolgreichen Winter bescheren könnte. Noch im Sommer hatte er ihn im zweitklassigen Continental-Cup springen lassen. „Er soll das Gefühl des Gewinnens wiederbekommen“, fand Schuster. Geklappt hat das nicht. Bei Mattenspringen in Stams belegte er die Plätze elf und 23.

Auch danach hatte der Bundestrainer nicht das Gefühl, dass es mit Freitag voran geht. Bei der Einkleidung im Oktober sagte der Coach: „Dann haben wir immer noch Richard Freitag im Hintergrund, obwohl er noch jung ist, liegt seine allerbeste Zeit schon ein wenig zurück.“ Rückendeckung sieht anders aus.

Bereits im Frühjahr hatte Freitag entschieden, sich in ein Reizklima zu begeben. Er wechselte den Wohnort, schlug seine Zelte in Oberstdorf auf. Mit der neuen Herausforderung wuchs er als Persönlichkeit. Im Allgäu fand Freitag nicht nur eine neue Heimat, sondern auch einen neuen Trainer. Bernhard Metzler, Coach des B-Kaders, kümmerte sich fortan um den Weitenjäger.

„Obwohl er noch jung ist, liegt seine beste Zeit schon ein wenig zurück“

Chefcoach Werner Schuster im Herbst über Richard Freitag

Das Verhältnis Schuster und Freitag war nicht unbedingt zerrüttet, aber nach häufiger Kritik des Trainers angespannt. Zum komplexen Charakter des Zuzüglers hat Metzler jedoch gleich einen guten Draht gefunden, „weil ich ihn vorher nicht kannte und ihm dadurch unvoreingenommen begegnen konnte“. Der 38-Jährige erkannte auch sofort das Defizit in Freitags Sprungsystem, den Absprung. Daran haben die zwei im Herbst intensiv gearbeitet. „Richard bringt sehr viel Dynamik mit, hatte aber immer wieder zu kämpfen.“ Die Schwierigkeit sei es gewesen, diese Kraft in ein gutes und stabiles Flugsystem zu bekommen. Freitag und Metzler verstehen sich nicht nur an der Schanze hervorragend, sondern auch so. „Ich kann mit ihm auch mal abseits über verschiedene Dinge reden“, sagt Metzler.

Mit dem Start der Saison kehrte Freitag wieder ins Weltcup-Team zurück. In diesem Kreis sei nahtlos weitergearbeitet worden, „um das Gesamtpaket zu schnüren“. In diesem Fall erweist es sich als Vorteil, dass Metzler – wie Schuster – als Österreicher über eine gemeinsame Sprungphilosophie verfügen. Deshalb war es auch kein Nachteil, dass der Nachwuchstrainer nur an den beiden deutschen Stationen Oberstdorf und Garmisch vor Ort war; als offizieller Betreuer gilt freilich der Norweger Roar Ljökelsoy. Sie alle werden Richard Freitag, dem gestürzten Emporkömmling, in den nächsten Tagen viel Mut zusprechen müssen.