Die fehlenden Fünf

Beim christlichen Diakovere-Konzern, der drei Krankenhäuser in Hannover betreibt, haben
fünf Hebammen gleichzeitig gekündigt – offenbar wegen schlechter Arbeitsbedingungen.
Der Konzern hält die Kritik der Hebammen allerdings für unbegründet

Viele Lücken auch im Norden: Auf seiner Website stellt der Hebammenverband den Mangel dar – mit aktuellen Zahlen. Hier der Stand von Dienstag. Screenshot: Deutscher Hebammenverband/Google Maps

Von André Zuschlag

Sie hatten schon einmal ihre Wut zum Ausdruck gebracht: Voriges Jahr sorgten fünf Hebammen in einem Krankenhaus in Hannover dafür, dass der Kreissaal zeitweise geschlossen blieb. Nun scheint es den fünf Frauen endgültig gereicht zu haben: Sie haben zeitgleich zum Jahresende bei ihrem Arbeitgeber, dem christlichen Diakovere-Konzern, gekündigt – laut Ver.di und dem niedersächsischen Hebammenverband, weil sie mit den Arbeitsbedingungen nicht einverstanden waren und die versprochenen Verbesserungen teilweise ausblieben.

Laut Veronika Bujny, Vorsitzendende des Hebammenverbands, waren die zwischen Belegschaft und Klinikleitung abgemachten Veränderungen nicht tiefgreifend genug. „Alte Konflikte wurden nicht richtig aufgearbeitet“, sagte Bujny. Damit meint sie insbesondere den immensen Arbeitsdruck für die Hebammen: „Das ist dann eskaliert.“ Wie die Hannoversche Allgemeinemeldet, habe sich insbesondere am Umgang der Vorgesetzten mit den Mitarbeitern wenig geändert. Sie berichtet von in Tränen ausbrechenden Hebammen am Ende von Nachtschichten.

Laut Thilo Jahn von Ver.di gehen die Kündigungen auf die allgemein schlechten Arbeitsbedingungen für Hebammen zurück. „Man muss sagen, dass vor allem durch den Protest der jetzt scheidenden Hebammen in den von Diakovere betriebenen Kliniken mittlerweile überdurchschnittlich gute Bedingungen herrschen“, sagte Jahn. Allerdings, schiebt Jahn ein, gelte das nur im Vergleich zu anderen Kliniken im Land. Grundsätzlich sei der Beruf noch immer überfordernd.

Der Diakovere-Konzern betreibt drei Krankenhäuser in der Leinestadt, in zwei davon, dem Friederikenstift und dem Henriettenstift, werden jährlich rund 4.500 Geburten durchgeführt. 53 Hebammen arbeiten in den beiden Kliniken. Letzteres ist ein sogenanntes Level-1-Zentrum. Dort können auch besonders risikoreiche Geburten durchgeführt werden. Alle fünf scheidenden Hebammen, also fast zehn Prozent der bei Diakovere angestellten Geburtshelferinnen, arbeiten noch dort.

Der Diakovere-Konzern hält die Kritik für unbegründet: „Wir – damit meine ich das Hebammenteam, die Leitung der Hebammen, Ärzte und Geschäftsführung – sehen uns auf einem sehr guten Weg“, sagt deren Geschäftsführer Mathias Winkelhake. Auch Jahn bestätigt, dass sich in den vergangenen Monaten vieles gebessert habe. Das war allerdings auch bitter nötig. „Da herrschte ein riesiger Personalmangel, außerdem war die Schichtplanung ganz schlecht. Das war eine unerträgliche Belastungssituation für die Hebammen“, sagt Jahn.

Im April dieses Jahres, nachdem die Klinikleitung auf die Forderungen der Hebammen eingegangen war und Vereinbarungen getroffen wurden, wurden diese laut Jahn auch weitgehend umgesetzt. Allerdings bedeutete das größere Personal wiederum einen deutlichen Mehraufwand für die MitarbeiterInnen. Immer wieder hätten neue Hebammen zusätzlich eingearbeitet werden müssen.

Thilo Jahn, Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di

Auch berichtete die Hannoversche Allgemeinedavon, dass einer langjährigen Angestellten wegen Störung des Betriebsfriedens zum Unterschreiben eines Aufhebungsvertrags gedrängt worden sei. Das soll laut Hebammenverband der Moment gewesen sein, in dem die Hebammen beschlossen hatten, zu kündigen. „Das hat das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht“, sagte Bujny. Diakovere äußerte sich aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht dazu.

Was die Kündigungen an Folgen für den Klinikbetrieb haben wird, ist fraglich. Diakovere bleibt diesbezüglich demonstrativ gelassen. Der Konzern will schnellstmöglich für Ersatz sorgen. „Unsere Geburtshilfe wird auch nach dem 1. Januar 2018 gut besetzt sein“, sagte Winkelhake.

Hannovers KinderärztInnen hingegen sind da weniger beruhigt. So würden immer mehr Schwangere in Geburtenhäuser oder in Krankenhäuser im Hannoverschen Umland ausweichen. Dabei seien diese technisch weniger gut ausgerüstet. Der Hebammenverband beklagt, dass landesweit ein riesiger Mangel an Hebammen fehlt (siehe Kasten links). Von der Landespolitik fühlt sich der Verband besonders im Stich gelassen.