Höher, schneller, immer weiter …

Das neue Jahr steht in den Startlöchern. Im Olympiastadion macht man sich für die Leichtathletik-EM fit, die 68er feiern 50-Jähriges, die taz zieht um … Ein paar Schlaglichter auf das, was 2018 passieren wird

Im milden Lichte … das Berliner Olympiastadion Foto: Sebastian Wells

Machtkampf im Humboldt-Forum

Von Susanne Messmer

Eröffnet wird das Humboldt-Forum im umstrittenen Berliner Schloss zwar erst 2019 – dennoch wird sich bereits im Lauf des Jahres 2018 entscheiden, ob die Ausstellungen dort überhaupt einen Besuch wert sein werden. Denn 2018 wird sich entscheiden, ob sich die verschiedenen Akteure, das Ethnologische Museum, das Museum für Asiatische Kunst, das Stadtmuseum und die Humboldt Universität, zusammenraufen – ob sie wirklich an einem Strang konsistente Ideen entwickeln können.

Als der weltgewandte britische Kunsthistoriker Neil MacGregor 2015 bekannt gab, Intendant des Humboldt-Forums werden zu wollen, jubelte die Stadtgesellschaft. Endlich war da einer, so schien es, der den scheinbar unlösbaren Widerspruch zwischen preußischer Schlossfassade und zeitgemäßen Inhalten doch auflösen konnte. Zwischenzeitlich aber wurden zunehmend kritische Stimmen laut. Im Humboldt-Forum herrsche Lähmung, Intransparenz und Ideenlosigkeit, hieß es.

Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy verabschiedete sich aus dem Expertenbeirat. Zuletzt kritisierte Viola König, die scheidende Direktorin des Ethnologischen Museums, dass im Humboldt-Forum zu viel „Apparat, neue Zuständigkeiten und Interessen“ herrschten, „bei denen die Museen allenfalls als Bittsteller antreten können“. Auch der Direktor des Museums für Asiatische Kunst Klaas Ruiten­beek wird 2018 in den Ruhestand gehen.

Noch Anfang 2018 will sich nun Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) für einen neuen Direktor für die Sammlungen des Humboldt-Forums entscheiden, dem der 2019 scheidende Neil MacGregor den Stab übergeben wird. Dieser Direktor, so heißt es, könnte mit deutlich mehr Macht ausgestattet sein als Neil MacGregor, Klaas Ruitenbeek und Viola König zusammen. Dieser Direktor würde auch für das Stadtmuseum von Paul Spies und die Ausstellungen der Humboldt Universität verantwortlich zeichnen. Da in der Ausschreibung keine ethnologischen Kenntnisse vorausgesetzt wurden, gehen Beobachter des Humboldt-Forums davon aus, dass Grütters derzeit versuche, die beteiligten Museen zu zerschlagen. Viele Beteiligte sagen, sie werden faktisch überflüssig gemacht.

Aber was sollen ethnologische Sammlungen ohne Ethnologie? Und wie soll man Ausstellungen konzipieren, wenn alle Kraft von öden Machtspielchen absorbiert wird?

2018 wird ein entscheidendes Jahr fürs Humboldt-Forum.

Mehr Überwachung wird begehrt

Von Bert Schulz

Der Tegel-Volksentscheid hat den rot-rot-grünen Senat in diesem Jahr eine empfindliche Niederlage beschert – zudem eine, die vorauszusehen war. „Wir haben Jahrzehnte mit dem Flughafen Tegel gelebt und schätzen auch seine Vorzüge. Es wäre doch albern, das wegzudiskutieren“, hatte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) zum Start der heißen Wahlkampfphase im taz-Gespräch gesagt. Und so stimmte eine deutliche Mehrheit der Berliner am 24. September 2017 für einen Weiterbetrieb des ollen innerstädtischen Flughafens, selbst wenn der BER einmal eröffnen sollte.

Auch 2018 wird der Senat durch die direkte Demokratie unter Druck gesetzt. Denn das Volksbegehren für mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist wie das Tegel-Begehren vor allem von der Opposition getragen und betrifft ein Thema, das schwierig allein mit Fakten, dafür aber stark emotional vermittelbar ist: Sicherheit ist erst einmal die gefühlte Sicherheit jedes Einzelnen. Also sehr subjektiv.

Unter den Initiatoren sind Exjustizsenator Thomas Heilmann (CDU) und Neuköllns Publicity heischender Exbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD), Unterstützer sind unter anderem beide Polizeigewerkschaften, die CDU Berlin und der Deutsche Beamtenbund. Der vorgelegte Gesetzentwurf sieht vor, kriminalitätsbelastete Orte, aber auch Justizgebäude und große Fahrradabstellplätze dauerhaft mit Kameras zu überwachen. Die rot-rot-grüne Regierungskoalition lässt derzeit hingegen Videoüberwachung nur temporär und anlassbezogen zu, wie etwa bei Großveranstaltungen.

Seit Mitte September sammelt die Initiative Unterschriften. Die erste Hürde der direkten Demokratie liegt bei 20.000 Unterstützern. Es ist unwahrscheinlich, dass das Projekt daran scheitert. Danach muss der Senat den Gesetzentwurf rechtlich prüfen. Und da wird es spannend. Denn sicher würde es die Opposition als grobes politisches Foul werten, wenn die Innenverwaltung versucht, den Entwurf aus juristischen Gründen zu blockieren.

Dennoch hat Innensenator An­dreas Geisel (SPD) genau diese Option angedeutet: „Viele Teile in dem Gesetzentwurf sind nicht rechtskonform oder machen keinen Sinn“, sagte Geisel Anfang Dezember im taz-Interview. Er lehne das Begehren deshalb „in seiner jetzigen Formulierung“ ab. Gleichzeitig hat Geisel in dem Gespräch deutlich gemacht, dass die derzeitige Position der rot-rot-grünen Koalition in Sachen Videoüberwachung seiner Meinung nach nachgebessert werden müsse.

In Senatskreisen hält man eine Einigung mit den Initiatoren – sprich die Verhinderung der nächsten Stufe des Volksbegehrens durch ein Entgegenkommen – prinzipiell für möglich. Gegen eine solche Taktik gibt es aber in der Koalition Widerstand nicht nur bei Linken und Grünen. Bliebe als dritte Option die politische Auseinandersetzung – sprich ein Volksentscheid – mit kaum zu kalkulierendem Ausgang. Bis es so weit ist, kann Rot-Rot-Grün intensiv die Lehren aus der Tegel-Niederlage analysieren und die – hoffentlich richtigen – Schlüsse daraus ziehen.

Die taz schlägt den BER beim Bau

Von Bert Schulz

Wer auf einer Party erzählt, dass er oder sie bei der taz arbeitet, bekam jahrzehntelang unter Garantie bald die Frage nach dem Gehalt zu hören. „Habt ihr immer noch den Einheitslohn?“ Gleiches Geld für alle: Das ist in der Öffentlichkeit offenbar der Ur-taz-Mythos. Die meisten sind erstaunt – und auch ein bisschen enttäuscht –, wenn man sagt, dass es schon seit 1992 unterschiedliche Gehaltsstufen bei dieser Zeitung gibt.

Seit ein, zwei Jahren kommt die Frage nach dem Geld nur noch ganz selten. „Wann zieht ihr denn um?“, wird man stattdessen gefragt. Oder manchmal auch: „Seid ihr schon umgezogen?“ Seit die taz gleich um die Ecke vom alten Standort am südlichen Ende der Friedrichstraße ein neues Haus für Redaktion und Verlag baut (was in diesen schweren Zeiten für Zeitungen natürlich nicht ganz erwartet wurde), werden taz und Geld zwar immer noch irgendwie gleichgesetzt, aber positiv konnotiert.

Am 30. Juni kommenden Jahres (also 2018) soll es nun wirklich so weit sein: Nach einigen, in Berlin nicht überraschenden Verzögerungen auf der taz-Baustelle ist dieser Termin der ganz offizielle Umzugstag. Bye-bye Rudi-Dutschke-Straße heißt es dann. Allerdings werden nicht alle Mitarbeiter auf einmal den Dienstort wechseln, erklärt Geschäftsführer Andreas Bull. „Die einzelnen Abteilungen werden nach und nach umziehen.“ Die Details werde man wohl erst Ende Mai festlegen können.

Die Arbeit im Alltag soll von dem Umzug peu à peu nicht beeinträchtigt werden. „Schon jetzt arbeiten Redaktion und Verlag in zwei Häusern, und das klappt“, sagt Bull. Aus Platzgründen hat die taz seit Jahren zwei Büroetagen schräg gegenüber angemietet, die über das gleiche Computer- und Telefonnetz miteinander verbunden sind. So werde das auch mit dem Neubau funktionieren. Mit dem Umzug soll die räumliche Trennung wieder der Vergangenheit angehören.

Ein schöner Nebeneffekt des Umzugs Mitte 2018: Die taz gewinnt damit ihre Wette gegen den BER, wer schneller baut. Als am 23. September 2016 der Grundstein für das neue taz-Haus gelegt wurde, haben wir es mit dem größten und renommiertesten Neubauprojekt der Region aufgenommen. Damals sprach die Flughafengesellschaft noch von einer Eröffnung im Herbst 2017. Auch die taz hat damals für sich diesen Termin angepeilt. Dennoch gaben wir uns optimistisch: „Wenn wir wider Erwarten verlieren sollten, dann gibt es eine Runde taz-Panterbräu für alle“, hieß es im Bericht über die Grundsteinlegung.

Heute wissen wir, dass die Flughafengesellschaft aus guten Gründen den Wettstreit mit uns nie ernsthaft aufzunehmen gedachte. Die BER-Baustelle war weiterhin jenseits jeder Kontrolle. Mitte Dezember hat Flughafen-Chef Engelbert Lütke Daldrup nun den vorerst letzten Termin für die Eröffnung genannt: Im Oktober 2020 soll das erste Flugzeug in Schönefeld abheben. Wir könnten wetten, dass die taz bis dahin genügend Zeit hätte, um noch ein Haus zu bauen.

Es rollt beim Radgesetz

Von Claudius Prößer

Vielleicht klappt’s ja zum zweiten Jahrestag: Am 14. Juni 2016 überreichte der „Volksentscheid Fahrrad“ dem damaligen rot-schwarzen Senat über 100.000 Unterschriften, die ein Volksbegehren forderten. Anderthalb Jahre später hat sich zwar einiges getan – aber das Berliner Radgesetz, das die Initiative fordert und das Rot-Rot-Grün inzwischen mit ihr zusammen erarbeitet hat, ist immer noch nicht in Kraft.

Schien es bis zum Herbst vorstellbar, dass das Jahr 2017 noch ein gültiges Radgesetz erblickt, machen sich die AktivistInnen der ersten Reihe mittlerweile Hoffnungen, dass es bis zum Beginn des zweiten Quartals 2018 klappt: „Ostern ist das neue Weihnachten“, sagt Denis Petri von Changing Cities e. V., dem Träger des Volksbegehrens. Nüchtern betrachtet, wird es wohl länger dauern.

Zwar hat die Verkehrsverwaltung von Senatorin Regine Günther dem Senat am 12. Dezember den fertigen Entwurf des künftigen Berliner Mobilitätsgesetzes vorgelegt, in den sie hunderte Einwände und Anmerkungen von Verbänden eingearbeitet hatte. Aber jetzt wird dieser Entwurf erst einmal dem Rat der Bürgermeister zur Stellungnahme vorgelegt, dann erst kann der Senat ihn beschließen, und dann beginnt das parlamentarische Prozedere. Wie lange das dauert, kann niemand vorhersagen.

Und auch, wenn irgendwann der große Tag des Inkrafttretens kommt – so ganz ruckzuck geht es auch dann nicht mit dem lückenlosen und sicheren Radverkehrsnetz, mit den Radschnellwegen und den Fahrradparkhäusern, die das Gesetz verspricht. Zur Konkretisierung der Ausbauziele und -pfade muss erst der sogenannte Radverkehrsplan beschlossen werden, für dessen Aufstellung das Gesetz der Verwaltung zwei Jahre Zeit gibt. Fertig muss das Radverkehrsnetz übrigens erst bis 2030 sein.

Allerdings muss es auch nicht im Schneckentempo weitergehen. Denis Petri verspricht, auch auf die ParlamentarierInnen Druck zu machen. Zudem gebe es für die Standards des Radverkehrsplans bereits Vorgaben, die den Segen der Volksentscheids-Initiative haben und schon jetzt umsetzbar seien. Auch die Senatsverwaltung verspricht, sich ranzuhalten mit dem fahrradfreundlichen Umbau der Stadt: Bereits im ersten Quartal 2018 soll es losgehen mit der Machbarkeitsstudie für den ersten von acht Radschnellwegen: die Südostroute von Kreuzberg nach Britz, die zu großen Teilen entlang der A113 verläuft.

Meisterliches im Stadion

Von Stefan Alberti

Die 50 Kilometer der Frauen als 48. Disziplin: Es wird nicht gerade dieser Mitte Dezember angekündigte neue Wettbewerbsein, der vom 7. bis zum 12. August die großen Massen zur Leichtathletik-Europameisterschaft ins Olympiastadion holt. Doch die deutsche Leichtathletik hat inzwischen durchaus ein Reihe Gesichter, die Publikum ziehen können. So werben die Organisatoren auf der EM-Internetseite etwa mit Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler und Weitspringerin Sosthene Moguenara, die in einem Kurzporträt James-Bond-mäßig von einem Hausdach aufs nächste springt.

Publikumsmagneten dürften auch die niederländische Sprinterin Dafne Schippers und der französische Stabhochspringer Renaud Lavillenie sein.

Bei seiner Heim-EM will zudem Diskuswerfer Robert Harting seine Karriere beenden – nach eigenen Worten möglichst mit einer Medaille. Im Olympiastadion hatte er bei der WM 2009 seinen erster Weltmeistertitel gewonnen.

Die EM wird auch ein Test dafür sein, wie gut das Olympiastadion künftig auch weitgehend ohne Fußball genutzt werden könnte, wenn Hertha BSC sich tatsächlich ein neues Stadion baut, ohne trennende Laufbahn zwischen Spielfeld und Fans. Gegen den Umbau des Olympiastadions in eine reine Fußball­arena hatte sich unter anderem Sprinter Usain Bolt ausgesprochen, der 2009 auf der blauen Tartanbahn zwei Weltrekorde aufstellte und Dreifach-Weltmeister wurde.

Karten für den Abend – dann stehen die Final-Wettkämpfe an – gibt es ab 35 Euro in der untersten Kategorie. Das ist nicht billig, aber letztlich ist alles relativ: Wenn fast genau einen Monat vor dem EM-Auftakt Helene Fischer im Olympiastadion singt, kostet die günstigste Karte 50 Euro. Ist das Stadion bei den Wettkämpfen nur schwach gefüllt, könnte das aber denen Rückenwind geben, für die nur Fußball zählt und die das Stadion umbauen wollen.

Auch die Flächen neben dem Olympiastadion sollen 2018 als Veranstaltungsort dienen: Im Olympiapark findet Anfang September das Lollapalooza-Festival statt.

Die 68er auf Wiedervorlage

Von Malene Gürgen

Joschka Fischer und Hans-Christian Ströbele, Götz Aly und Daniel Cohn-Bendit, nicht zu vergessen Rainer Langhans: Vermutlich haben Sie nicht das Gefühl, diese Männer seien in den vergangenen Jahrzehnten zu selten in den Medien gewesen. Trotzdem können Sie sich schon mal darauf einstellen, dass das im nächsten Jahr nicht anders wird. Im Gegenteil: 1968, eines der wichtigsten Jahre der Nachkriegsgeschichte, jährt sich 2018 zum 50. Mal. Zeitzeugen, die ebenso prominent wie mitteilsam sind, werden da gern genommen.

Trotzdem muss das Gedenkjahr nicht zum Gähnen sein. Denn die politischen Entwicklungen, für die die Jahreszahl 1968 zu einer Chiffre geworden ist, sind in Deutschland umkämpft wie lange nicht mehr. Aus Sicht der AfD und ihrer Anhänger steht 1968 für all die „links-grün-versifften Gutmenschen“, die ihr schönes Deutschland in den Ruin getrieben haben, vom Langzeitstudenten bis zur Frauenrechtlerin. Flüchtlinge, Minderheitenrechte, Islam, Feminismus, NS-Gedenkpolitik oder der Kulturbetrieb: Den Rechten ist Unterschiedlichstes ein Dorn im Auge – doch dass das alles in Deutschland eine Stellung inne hat, die es in ihren Augen niemals besitzen dürfte, daran sind, natürlich, die 68er Schuld.

Auch das Erinnern an 1968 wird also umkämpft sein. Denn wie einem politischen Ereignis gedacht wird, ist selbst ein Politikum. Und auch wenn die Zeiten selbstverständlich andere sind: Es ist ja nicht so, dass die Themen der 68er, von der Antikriegsbewegung bis zum Protest gegen die Springerpresse, heute keinen Widerhall mehr finden könnten.

Das Jubiläumsjahr sollte also interessante politische Diskussionen möglich machen, gerade wenn es gelingt, dabei auch ein paar weniger prominente Stimmen zu Wort kommen zu lassen. Gleich zu Beginn könnte dabei ein Berliner Ereignis eine Rolle spielen, das sich 2018 zum 40. Mal jährt: Mit dem „Treffen in Tunix“, einem Kongress an der TU im Januar 1978, unternahm das linke Spektrum den Versuch, das vielfach erstarrte politische Erbe der 68er neu zu beleben. Abends wurde etwa im SchwuZ gefeiert, tagsüber geredet und demonstriert – und nebenbei auch noch die taz gegründet.