Neue Musik im Reform-Tempel

Das Rolf-Liebermann-Studio des NDR in Hamburg ist heute Hort zeitgenössischer Musik

Durch die Zerstörung in die Zukunft: Mahnmal vor dem Hamburger Rolf-Liebermann-Studio Foto: dpa

Natürlich kennen wir Musikfreunde das Rolf-Liebermann-Studio des NDR. Jenes fast quadratische Gebäude mit dem großzügigen Vorplatz am Hamburger Rothenbaum, wo sich entspannt warten lässt, bis das Jazz- oder Neue-Musik-Konzert beginnt.

In Wahrheit ist das Gebäude von 1930 bis zur Reichspogromnacht am 9. 11. 1938 Tempel der jüdischen Reformgemeinde gewesen. Dabei sandte die damals hochmoderne Bauhaus-Architektur ambivalente Signale: als Manifestation von Weltoffenheit und Integrationswillen gedacht, grenzte man sich zugleich ab. Bewusst hatten die Reformer nicht, wie bei vielen damaligen Synagogen-Neubauten, christliche Architekten beauftragt, sondern die Juden Felix Ascher und Robert Friedmann. Sie wollten, so Ascher, „jede dem Judentum fremde, mystische Wirkung vermeiden“.

Dass die Reformer trotzdem Männer und Frauen getrennt platzierten, irritiert, aber inzwischen ist das gelöst: Heute sitzen alle gemeinsam im Konzertsaal im ersten Stock, den der NDR einbaute, nachdem er das Haus 1946 von der Stadt gemietet und 1953 der Jewish Trust Corporation abgekauft hatte. 2000 wurde der Saal dann nach dem 1999 verstorbenen Komponisten Rolf Liebermann-Studio getauft.

Das alles geschah mit Billigung des Zentralrats der Juden – wobei es eine Selbstverständlichkeit war, der Jüdischen Gemeinde ein kostenloses Nutzungsrecht für den Saal zu gewähren. Und wer sucht, kann in den Treppenhäusern zwei Tafeln finden, die noch vom Tempel erzählen.

Das Mahnmal draußen vorm Eingang übersieht man dann nicht so leicht: Aus Bronze hat Doris Waschk-Balz einen zerrissenen Vorhang und eine am Boden liegende Tora-Rolle gefertigt. Sie lässt einen schmalen Durchblick frei auf die Eingangstüren. „Aus Sicherheitsgründen wird es im Eingangsbereich Taschenkontrollen geben“, steht da. Die Gefährdung ist nicht vorüber. Petra Schellen