Kolumne Die Couchreporter: Die Witze-Streberinnen

In „The Marvelous Mrs. Maisel“ erobern zwei Frauen die Comedyszene. Selten wird die Karriere von Heldinnen so zentral und gut beleuchtet.

Zwei Frauen sitzen in einem Publikum

Studieren die Stand-Up-Comedy-Szene: Agentin Susie (l.) und Midge Foto: ap

Eine junge Frau tritt auf die Bühne, sie trägt armlange Handschuhe, ihre Haare liegen in einer sorgfältig geföhnten Welle. Vor ihr sitzt ein Pub-Publikum mit Pomadefrisuren, kein Wunder, wir befinden uns in den USA der 50er-Jahre. Der Name der Frau ist Miriam, sie selbst nennt sich Midge. Sie greift zum Mikrofon, sie strahlt, dem Klischee nach müsste sie jetzt wohl einen Folk-Song singen. Stattdessen macht Midge, das überrascht auch die Pomadefrisuren, eine lange Reihe dreckiger Witze über ihr Eheleben – sagt „Fuck“, „Fuck“, „Fuck“.

Drehbuchautorin Amy Sherman-Palladino hat eine neue Serie bei Amazon Prime. Wie bei ihren „Gilmore Girls“ geht es in erster Linie um kluge, schnell denkende und 300 Wörter die Minute sprechende Frauen. An die Stelle des Mutter-Tochter-Gespanns treten in „The Marvelous Mrs. Maisel“ eine Komikerin und ihre Agentin (schön mürrisch gespielt von Alex Borstein). Das Duo nimmt sich viel Zeit, um gemeinsam ein männlich besetztes Gebiet zu erobern: das Stand-up-Business.

Der Plot von „The Marvelous Mrs. Maisel“ kreist damit über acht Folgen hinweg um eine berufliche Karriere. Das ist spannend und eine Seltenheit, vor allem bei Serien mit Protagonistinnen. Okay, Frauen spielen in TV-Shows zunehmend Kommissarinnen, Politikerinnen und Anwältinnen. In der Regel sind das aber sogenannte starke Frauen, sie sind bereits in machtvollen Positionen.

Aber wie sind sie dahin gekommen? Wie haben sie sich durchgesetzt? Wie verhandeln sie über Gehälter? Als Storylieferanten wurden diese Themen bisher kaum entdeckt. Frauen Mitte oder Ende Zwanzig spielen dagegen oft Hauptrollen in Serien, die sich um Beziehungen drehen. Gerade bei dem Überangebot an Serien auf den Video-on-Demand-Kanälen ist man dieser Lovestorys allerdings langsam überdrüssig. Ja, gut, Liebe, Herzschmerz, sie kriegen sich. Midge hat diese Phase längst hinter sich, sie hat zwei Kinder zu versorgen und die Scheidung von ihrem Ehemann steht an. Zu Beginn der Serie beginnt für sie eine neue Lebensphase mit neuen Freiheiten. Sie will ihren eigenen Interessen nachgehen.

Emanzipation wurde abgesetzt

Die Serie zeigt das im Detail: Midge und ihre Agentin ziehen durch Clubs, um Stand-up-Performances zu studieren. Und sie feilen über Tage hinweg an derselben Pointe. Die beiden sind Witze-Streberinnen. Die Serie, und dafür sind Serien gut, zieht dabei extrem viele Facetten mit ein: Midges Muttersein, ihre finanzielle Unsicherheit und den Druck durch gesellschaftliche Zwänge – die den heutigen nicht unähnlich sind. Die Serie, und dafür sind Serien ebenfalls gut, bildet einen Prozess ab: „Du warst heute Abend schlecht, und du wirst noch oft schlecht sein“, sagt Midges Agentin, „aber du wirst besser werden.“

Eine zweite Maisel-Staffel ist schon in Planung, die erste ist Anwärterin auf einen Golden Golbe. Das ist erfreulich, zumal Emanzipation in der Vergangenheit oft abgesetzt wurde. Netflix’ „Girlboss“ über den Aufbau eines millionenschweren Ebay-Unternehmens wurde etwa wegen (angeblich) zu geringer Quoten eingestellt. „Good Girls Revolte“ über eine Sammelklage junger Journalistinnen gegen sexistische Jobverhältnisse scheiterte an Roy Price, dem Chef der Amazon-Studios. Er mochte die Serie einfach nicht.

Bleibt zu hoffen, dass wenigstens Mrs. Maisel noch oft „Fuck“ sagen darf.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.