Variationen der Norm

Bürgerschaft debattiert, ob Kinder mit abweichenden Geschlechtsmerkmalen operiert werden sollten

„Kinder können doch noch gar nicht selbst in diese Art von Operation einwilligen“

Deniz Celik, Linke

Von Kaija Kutter

Kinder, deren Geschlecht nicht klassisch männlich oder weiblich ist, sollen nicht wegen ihrer abweichenden Geschlechtsmerkmale operiert werden. Obwohl die Bundesärztekammer dies klarstellte und medizinische Leitlinien längst geändert wurden, geht in Deutschland die Zahl der „feminisierenden“ und „maskulinisierenden“ Operationen laut einer Studie der Berliner Forscherin Ulrike Klöppel nicht zurück. Anlass für die Linke, nach Hamburger Daten zu fragen. Die Antworten auf die Große Anfrage der Linken werden heute ab 17 Uhr im Wissenschaftsausschuss diskutiert.

Auch der Senat verweist in seiner Antwort auf die Haltung der Bundesärztekammer. Das UKE wies darauf hin, dass funktionell wirksame Änderungen der Geschlechtsmerkmale häufig Operationen erforderten, ohne die „normales Gedeihen und Leben nicht möglich wären“. Es handele sich nicht um kosmetische Operationen, sondern notwendige Behandlung teils lebenswichtiger Organe.

In der Antwort auf die Anfrage der Linken werden die Fallzahlen von Operationstypen aufgeführt. Recht häufig, nämlich 73 Mal, wurde 2015 zum Beispiel eine Hypospadie korrigiert. So nennt man eine verkürzte Harnröhre, die bei Jungen nicht an der Spitze, sondern an der Unterseite des Penis endet. Eine Operation soll jedoch bei Betroffenen umstritten sein, da sie zu Narben und Nachwirkungen führt. Auch gilt es als nicht zwingend medizinisch notwendig, dies schon bei Kindern zu operieren.

Bei Operationen wie etwa Implantation eines Hodens oder Konstruktion einer Vagina war eine zu korrigierende Intersexualität nicht der Grund, wie aus der Senatsantwort hervorgeht. Doch eine unabhängige Überprüfung der Notwendigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen hat es in jüngerer Zeit nicht gegeben.

Die Linke sieht das Problem nicht gelöst. Auch die bloße Korrektur einer Variation von der Norm sei problematisch, meint ihr Gesundheitspolitiker Deniz Celik. „Kinder können doch noch gar nicht selbst in diese Art von Operation einwilligen. Deshalb liegt hier eine gravierende Menschenrechtsverletzung vor“. Hamburg solle deshalb eine Bundesratsinitiative für ein „Verbot medizinisch nicht zwingend notwendiger Operationen“ anschieben.

Cansu Özdemir, Sprecherin der Linken für Queer-Fragen, fordert eine Anhörung im Ausschuss. Nötig sei, Experten in eigener Sache zu hören, „damit wir die Situation in Hamburg von Kindern mit Variationen der körperlichen Geschlechtsmerkmale verbessern“.